St. Martin oder Suppe
Quer durch die Republik sorgte der Bericht der "Taunus-Zeitung" für Schlagzeilen. Zwar sollten die Jungen und Mädchen einer Kita in der hessischen Stadt weiter fröhlich mit ihren Laternen durch die Straßen ziehen, singen und dafür Süßigkeiten erhalten – allerdings ohne christlichen Bezug zum Heiligen Martin, der auf dem Pferd vorneweg reitet, vermeldete die Zeitung.
Das Dementi der Stadt folgte prompt. "Der Name des traditionellen Festes ist niemals offiziell geändert worden, auch wenn von Eltern und Beschäftigten umgangssprachlich ein anderer Name verwendet wird", hieß es in einer Stellungnahme.
Der Begriff "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest" habe mit einem vergangenen Martinsfest zu tun, "bei dem eine Suppe mit Sonnen, Monden und Sternen als Einlage ausgegeben worden war", teilte die Stadt weiter mit. Die Bezeichnung hätte sich dann verselbstständigt. Auch seien niemals "weltanschauliche Gründe für die Bezeichnung geltend gemacht" worden. Ein Glück, dass es damals keine Gulaschsuppe gab.
Sankt Martin scheint also in Bad Homburg vorerst gerettet zu sein. Vielleicht auch, weil beispielsweise viele Muslime mit Martinszügen offenbar gar kein Problem haben. Dass Martin ein katholischer Heiliger sei, stelle für Muslime keinen Hinderungsgrund dar, an den Umzügen teilzunehmen, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, der "Welt". Er selbst habe das als Kind getan. "Das Leben des heiligen Martin ist doch geradezu vorbildlich, auch für Muslime."
Keine Provinzposse
Von einer reinen Provinzposse kann dennoch keine Rede sein. Anfang dieser Woche meldete sich der Vorsitzende der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, Rüdiger Sagel, zu den Martinszügen zu Wort: "In vielen NRW-Kitas gibt es einen hohen Anteil von muslimischen Kindern. Ihnen sollte man die christliche Tradition nicht aufdrängen", zitierte die "Rheinische Post" den Politiker.
Wenn man statt Sankt Martin ein "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest" feiern würde, fühlten sich mehr Kinder angesprochen und mitgenommen. "Dazu braucht man keinen Sankt Martin, der dem Lichterzug auf dem Pferd voranreitet", sagte der NRW-Chef der Linken der Zeitung.
„Das Leben des heiligen Martin ist doch geradezu vorbildlich, auch für Muslime.“
Wie viel Religion soll es in der Öffentlichkeit geben? Teils hitzige Debatten darüber entzünden sich nicht nur an Sankt Martin. Anfang September tobte beispielsweise der "Kreuzberger Kulturkampf" . Anlass für die Auseinandersetzung im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg war ein Fest.
Muslime aus dem Multi-Kulti-Stadtteil hatten ihr "Zuckerfest" zum Ende des Fastenmonats Ramadan auf einem Platz feiern wollen. Doch das Bezirksamt erlaubte die Feier nicht. Erst als die Veranstalter die Feier in ein scheinbar unreligiöses "Sommerfest" umbenannten, rückte die Behörde mit der Genehmigung heraus. Auch ein Weihnachtsmarkt soll in der Vergangenheit erst genehmigt worden sein, als er in "Winterfest" umbenannt wurde.
Was eine Gesellschaft aushalten muss
Kirchenvertreter kritisierten das Vorgehen, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit war wenig erfreut. Auch in diesem Fall ruderten die Verantwortlichen zurück. "In Friedrichshain-Kreuzberg wurden und werden keine Feste wegen ihres religiösen Charakters untersagt oder benachteiligt", teilte das Bezirksamt mit. Offenbar sei es in Einzelfällen zu Irrtümern und Missverständnissen gekommen.
Suppe statt Sankt Martin, ein Sommerfest zum Ramadan. Man kann über die Geschehnisse den Kopf schütteln oder lachen. Oder sich auch einmal ernsthaft mit der Frage beschäftigen, wie viel öffentliche Religion eine multikulturelle Gesellschaft aushalten soll und muss. Mit Toleranz, Weltoffenheit oder Rücksicht auf andere haben die bizarren Vorgänge wenig zu tun. Allerdings steht zu befürchten, dass die nächste Absurdität nicht lange auf sich warten lässt. Weihnachten ist nicht mehr fern.
Von Christoph Meurer