Der Südsudan versinkt in Gewalt und Chaos

Christen gegen Christen

Veröffentlicht am 17.01.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Unruhen

Stuttgart ‐ Die Welt hatte hilflos zuschauen müssen: Über Jahrzehnte hinweg herrschte im Sudan ein blutiger Konflikt, in dem sich der mehrheitlich christliche Süden des Landes vom mehrheitlich islamischen Norden loszulösen versuchte. Die Kämpfe waren hart und unerbittlich, oft wirkten sie wie ein Religionskrieg. Erst mit dem Friedensabkommen, das im Jahr 2011 zur Unabhängigkeit der Republik Südsudan führte, schien sich die Situation zu verbessern.

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Die Hoffnung trog jedoch. In einer der ärmsten Gegenden der Welt wird inzwischen wieder gekämpft, und dieses Mal sind es die Christen selbst, die gegeneinander die Waffen erheben. Etwa zehntausend Tote könnte dieser neue Bürgerkrieg nach unabhängigen Schätzungen bisher gefordert haben, hundertausende von Menschen befinden sich erneut innerhalb wie außerhalb des Landes auf der Flucht .

Dabei hatte die neue Nation zunächst einen halbwegs gelungenen Start. Zum ersten Staatspräsidenten war der stets einen schwarzen Cowboyhut tragende Katholik Salva Kiir Mayardit gewählt worden, der nach einer Vergangenheit als Rebellenführer nun als Mann des Ausgleichs und der Versöhnung galt. So forderte er sein kriegsmüdes Volk auf, das während der Kämpfe erlittene Unrecht "zu vergeben, wenn auch nicht zu vergessen": eine Zumutung für Menschen, die der Krieg noch kurz zuvor zwei Millionen Freunde und Verwandte gekostet hatte.

Christliche Organisationen arbeiteten am Aufbau des Südsudan

Doch Kiirs Aufrufe schienen Gehör zu finden. Vor allem viele internationale christliche Organisationen machten sich daran, gemeinsam mit der traumatisierten Bevölkerung für den Aufbau des Südsudan zu arbeiten. Ein Land, das Aufbau nötig hat, in dem 92 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, in dem 73 Prozent der Menschen nicht lesen und schreiben können und in dem eines von fünf Kindern noch nicht einmal das fünfte Lebensjahr erreicht. Der Optimismus war groß, denn – so Betram Kuol, Agrarexperte bei Caritas Österreich – der Südsudan habe früher den besten Kaffee der Welt produziert. "Wir haben Baumwolle, Tee und Früchte exportiert. Jetzt brauchen wir Saatgut, Maschinen und verbesserte Anbaumethoden, dann können wir uns in ein paar Jahren wieder selbst versorgen", so der gebürtige Südsudanese.

Bild: ©Hannah McNeish/VOA

Riek Machar wift dem Staatsoberhaupt "diktatorische Tendenzen" vor

Der Erfolg dieser Arbeit wird jetzt allerdings durch die Kämpfe im Land massiv gefährdet. Vor dem Hintergrund verfeindeter Volksgruppen hat sich das Christentum nicht als stark genug erwiesen, um eine friedliche Entwicklung zu garantieren. Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass der arme Südsudan zu den ölreichsten Ländern Afrikas gehört und es im jüngsten Konflikt damit einmal mehr um Geld geht. Um viel Geld.

Das Öl ist Fluch und Segen des jungen Staates zugleich: Die Gewinne aus seiner Förderung machen 98 Prozent der Staatseinnahmen aus. Das wäre mehr als genug Geld, um Landwirtschaft und Infrastruktur des Landes zu entwickeln. Das ist aber auch mehr als genug Geld, um einer kleinen Elite ehemaliger Freiheitskämpfer die Taschen zu füllen. So beschuldigte Präsident Kiir schon 2012 eine Gruppe seiner eigenen Minister und hohen Beamten, vier Milliarden Petrodollar unterschlagen zu haben, fast ein Drittel aller Öleinkünfte zwischen 2005 und 2011. "Wir haben für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit gekämpft", schrieb der als Kämpfer gegen die Korruption auftretende Kiir damals in einem ungewöhnlichen Brief an die von ihm Beschuldigten, "und nun, da wir an der Macht sind, haben wir offenbar vergessen, wofür wir gekämpft haben und uns stattdessen selbst die Taschen gefüllt zu Lasten unserer Leute".

Mit einem Katholiken und einem Presbyterianer stehen sich zwei Christen gegenüber

Sein mittlerweile abgesetzter Stellvertreter Riek Machar, der anders als der Präsident der Volksgruppe der Nuer angehört, wirft Kiir nun allerdings "diktatorische Tendenzen" vor. Zwischen beiden ist ein Machtkampf ausgebrochen, für dessen Heftigkeit es keine Rolle spielt, dass sich mit einem Katholiken und einem Presbyterianer zwei Christen gegenüberstehen. Afrika scheint vielmehr das schlechte Beispiel wiederholen zu wollen, das Europa ihm seit Jahrhunderten bietet.

Mittlerweile ist auch die katholische Basisgemeinschaft Sant'Egidio mit einer Delegation nach Addis Abeba – die äthiopische Hauptstadt beheimatet die Afrikanischen Union – gereist, um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Es wirkt aber dennoch wie ein Zynismus der Geschichte, wenn die Hoffnung auf Frieden in dem geschundenen Land weniger den religiösen Überzeugungen seiner Politiker und mehr deren wirtschaftlichen Interessen entspringt. Chancen für einen Waffenstillstand bestehen nämlich vor allem deshalb, weil jeder Tag Krieg bares Geld kostet. Geld aus dem Verkauf von Öl, der jetzt zum Erliegen gekommen ist. Für christliche Überzeugungen ist das nichts anderes als eine Bankrotterklärung.

Von Uwe Bork