Die Frage nach der Beihilfe
Es ist ein schwieriges Thema - rechtlich wie moralisch. Aktuell ist die Beihilfe zum Suizid in jeglicher Form straffrei. Während die Union plant, nahestehende Angehörige eines Sterbewilligen vom strafrechtlichen Verbot der organisierten Suizidbeihilfe auszunehmen, wollen Abgeordnete wie SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach und Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) dagegen auch Ärzte straffrei lassen.
Ebenfalls lehnen die Union und große Teile der SPD sogenannte "Sterbevereine" ab. Vereine wie beispielsweise die "SterbeHilfeDeutschland". Seit 2010 werden hier unter der Leitung des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch Sterbewilligen tödliche Medikamente verschafft. Zwei Jahre zuvor kassierte Kusch dafür noch jeweils 8.000 Euro. Nachdem ihm das vor Gericht verboten wurde, schwenkte er auf eine Vereinslösung um. Seitdem hilft der Ex-Senator Patienten wieder bei der Selbsttötung - ohne Honorar, aber bei bezahlter Mitgliedschaft. 2010 und 2011 hat der Verein nach eigenen Angaben 48 Menschen beim Suizid begleitet.
Künast gegen ein Verbot von Sterbevereinen
Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), hält nichts von einem Verbot solcher Vereine. "Man findet keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Sterbehilfe-Vereine eine Gefahr wären, weil sie Menschen zum Suizid drängen", sagte Künast der "Welt" (Mittwoch). Daher wäre es "falsch, die Suizidbeihilfe für Personen zu erlauben, für Vereine jedoch nicht".
Künast will darüber hinaus auch eine regulierte Zulassung von Vereinen. Denn diese könnten anders als Angehörige "sogar mit Bedingungen belegt werden wie dem Ausschluss kommerzieller Interessen". Zu fordern wäre von Vereinen "weiterhin eine Dokumentationspflicht" sowie "eine ärztliche Begutachtung, gegebenenfalls durch zwei unabhängige Ärzte". Auch die Aufklärung über Alternativen zum Suizid könnte nach Ansicht der früheren Grünen-Faktionschefin in Vereinen geleistet werden.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich dagegen für ein weitreichendes Verbot ausgesprochen. Er wünsche sich, dass "kommerzielle Beihilfe zur Selbsttötung, das Geschäftemachen", unter Strafe gestellt werde, sagte Gröhe im Februar. Zudem relativiere aus seiner Sicht bereits die "vereinsmäßig organisierte nicht kommerzielle Beihilfe zur Selbsttötung" den Wert des Lebens "in inakzeptabler Weise". Die Selbsttötung dürfe nicht "als Behandlungsvariante neben andere" treten. Von den Kirchen forderte er im September, sich weiter in die gesellschaftliche Debatte einzumischen.
„Es scheint mir ein eigentümliches Paradox zu sein, dass wir uns in einer Zeit, in der wir helfen können wie noch nie, zugleich so Gedanken machen, wie wir uns am besten um die Ecke bringen.“
Die katholische Kirche lehnt jede Form der organisierten Beihilfe zum Suizid ab. Dadurch liefen selbst eng umgrenzte Regelungen im Ergebnis darauf hinaus, "ein angeblich 'menschenwürdiges Töten' zu organisieren", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, kürzlich in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Ein ausdrückliches Verbot aller Formen der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung sei daher "überfällig". Stattdessen müsse alles getan werden, damit Sterbende möglichst schmerzfrei begleitet werden könnten.
Dass Menschen am Lebensende vor allem Begleitung benötigen, erklärte auch Kardinal Karl Lehmann. Auf der Vollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda forderte er, Hospizangebote und die Palliativmedizin weiter auszubauen. "Wer alt, krank oder hilflos ist, möchte nicht alleingelassen werden", sagte der Kardinal. Aus christlicher Sicht sei das Leben eines jeden Menschen – gerade auch in der Nähe des Todes – bis zuletzt schützenswert. Lehmann berichtete aus seiner eigenen Erfahrung mit Hospizbewohnern: "Viele wollen nach der Aufnahme nicht mehr auf Tod warten. Aber wenn die Schmerzen sediert werden und man mit ihnen spricht, dann verschwindet dieser Wunsch."
Nicht zur Diskussion steht bei Politikern und Kirchenvertretern dagegen die aktive Sterbehilfe: Auch wenn laut einer aktuellen Allensbach-Umfrage 67 Prozent der Deutschen hier für eine gesetzliche Freigabe sind, wird sich an den bisherigen Regelungen in naher Zukunft wohl nichts ändern: Wer jemanden auf dessen Wunsch tötet, wird wegen Tötung auf Verlangen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.
Die passive Sterbehilfe ist in Deutschland legal
Die passive Sterbehilfe dagegen ist in Deutschland legal. Dazu zählen beispielsweise der Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen wie die künstliche Ernährung und Beatmung oder die Reanimation. Anhaltspunkte bei "nichteinwilligungsfähigen" Personen können der mutmaßliche Patientenwille oder eine Patientenverfügung sein. Da auch eine aktive Handlung wie der Abbruch einer Maßnahme in diese Kategorie fällt, wollen Experten den Begriff "passive Sterbehilfe" lieber vermeiden und sprechen vom "Sterbenlassen".
Ähnliches gilt für die indirekte Sterbehilfe. Bei der Gabe von starken Schmerzmitteln wie Morphium in der letzten Lebensphase nehmen Ärzte die Verkürzung des Lebens in Kauf. Wichtig ist den Experten hier die Intention, die hinter der Verabreichung der Mittel steht: Es geht nicht darum, einen Patienten zu töten, sondern dessen Schmerzen zu lindern. (mit Material von KNA)
Von Björn Odendahl