Bundestagsabgeordnete wollen ärztlich assistierten Suizid erlauben

Lebensbeendende Maßnahme

Veröffentlicht am 16.10.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Sterbehilfe

Berlin/Bonn ‐ Ärzte in Deutschland sollen künftig nach einem Vorschlag mehrerer Bundestagsabgeordneter Beihilfe zur Selbsttötung leisten dürfen. Sechs Parlamentarier der Regierungsparteien stellten am Donnerstag in Berlin ein entsprechendes Positionspapier vor. Die Kirchen kritisieren den Vorschlag der Politiker und fürchten verheerende Konsequenzen.

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Der Vorschlag der Abgeordneten Peter Hintze, Katherina Reiche (beide CDU), Dagmar Wöhrl (CSU), Karl Lauterbach, Carola Reimann und Burkhard Lischka (alle drei SPD) reiht sich ein in die aktuelle gesellschaftliche Debatte über Sterbehilfe. Der Bundestag bemüht sich derzeit um rechtliche Rahmenbedingungen der bislang ungeregelten Beihilfe. Eine fraktionsübergreifende Entscheidung soll bis Ende nächsten Jahres gefällt werden.

Die Abgeordnetengruppe beruft sich in ihrem Positionspapier auf das "Selbstbestimmungsrecht des Patienten" am Ende des Lebens. Es sei ein "Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn aus dem Schutz des menschlichen Lebens ein staatlich verordneter Zwang zu leiden wird". Hintze nannte als Bedingungen, dass der Patient volljährig und voll einwilligungsfähig ist. Zudem dürfe die Beihilfe nur geleistet werden, wenn die Person unter einer organisch bedingten Krankheit leidet, die "irreversibel zum Tode" führt, und unter "schwerem Leidensdruck" steht.

Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten.
Bild: ©KNA

Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten.

Katholische Kirche ist besorgt

Die katholische Kirche hat sich besorgt über den vorgebrachten Vorschlag geäußert. Damit werde die Suizid-Beihilfe eine ganz normale weitere Option für das Lebensende, so der Vertreter der Bischöfe bei der Bundesregierung, Karl Jüsten, am Donnerstag. "Wir sind davon überzeugt, dass ein solches Regelangebot gerade Menschen in Grenzsituationen des Lebens unter Druck setzen wird, hiervon Gebrauch zu machen", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Jüsten betonte, dass im Mittelpunkt der Diskussion die medizinische, pflegerische und seelsorgliche Begleitung Schwerstkranker und Sterbender stehen müsse. "Nach allem, was wir wissen, halten Menschen, die eine gute palliative Versorgung erhalten und begleitet werden, nur in äußerst seltenen Fällen an einem einmal geäußerten Suizid- oder Tötungswunsch fest", so der Prälat.

Grenzfälle menschlichen Leids zur Grundlage genereller gesetzlicher Regelungen zu machen, "halten wir für einen irreführenden Weg", betonte Jüsten. Die vorgeschlagenen Regelungen würden schließlich zu einer Professionalisierung im Bereich des assistierten Suizids führen, "die das Berufsbild des Arztes in hoch problematischer und nachhaltiger Weise verändern und das bisher sehr gute Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten infrage stellen würde".

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Video: © katholisch.de

Mainzer Kardinal spricht über die Chancen der Pallativmedizin.

Keine Sterbehilfe bei psychischen Erkrankungen

Ein Todeswunsch aufgrund psychischer Erkrankungen oder aus anderweitigen Gründen schließt dagegen auch die Vorlage der Abgeordneten aus. Im September hatte der Fall eines belgischen Straftäters für Aufsehen gesorgt, dem ein Gericht das Recht auf Sterbehilfe zugesprochen hatte. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Sexualtäter hatte sich in seinem Wunsch auf eine unerträgliche psychische Erkrankung berufen. Der SPD-Politiker Lauterbach betonte, dass die von den Bundestagsabgeordneten vorgeschlagene Regelung für Deutschland dem Arzt Rechtssicherheit geben solle.

Kritiker befürchten dagegen, dass Beihilfe zum Suizid damit künftig zu einem Regelangebot der Gesundheitsversorgung wird. Derzeit ist die Beihilfe zum Suizid für Ärzte nach Standesrecht untersagt und kann je nach Ärztekammer zum Verlust der Approbation führen. Die Abgeordneten wollen nun die ausdrückliche Erlaubnis zivilrechtlich festschreiben, analog zur Patientenverfügung.

Brysch: "Ärzte pauschal als Suizidhelfer legitimiert"

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisierte das Positionspapier der Abgeordnetengruppe scharf. Damit würden Ärzte pauschal als Suizidhelfer legitimiert, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag). "Man muss nur ein Arzt sein und schon hat man eine wichtige Hürde überwunden", bemängelte Brysch. Einige Mediziner trieben seit Jahren ein unethisches Spiel mit den Ängsten und hülfen bei der Selbsttötung.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte sich bereits früher gegen jede Form von organisierter Sterbehilfe ausgesprochen - auch gegen ärztliche unterstützte Selbsttötung. Im September hatte er auch ausdrücklich das Engagement der christlichen Kirchen in der Debatte um die Sterbehilfe gelobt und einen Ausbau der Palliativmedizin gefordert.

Auch die frühere evangelische Bischöfin Margot Käßmann hat vor einer Legalisierung der Suizid-Beihilfe gewarnt. Wenn "gezieltes Töten" gesetzlich erlaubt würde, wären die Folgen verheerend, sagte sie am Donnerstag den in Dortmund erscheinenden "Ruhr Nachrichten". "Es ist noch kein Arzt in Deutschland verurteilt worden, weil der Patient in Folge erhöhter Schmerzmedikamentierung starb", so die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Aber ich kann mir nicht vorstellen, quasi auf Krankenschein das tödliche Gift herauszugeben." Diese Vorstellung sei ihr fremd, sagte Käßmann.

Käßmann: "Es ist eine große Anmaßung"

"Wir sollten unseren Schwerpunkt in der Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen setzen", sagte die Theologin Käßmann. Dass inzwischen zwei Drittel der Deutschen für die Tötung auf Verlangen seien, bereite ihr Sorgen. Über Sterbehilfe-Organisationen sagte sie, es gehe "sicherlich nicht in jedem Fall um Geschäftemacherei", aber auch nicht nur um "Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit". Für sie seien allerdings deren Motive fragwürdig. "Es ist eine große Anmaßung, für andere zum Herrn über Leben und Tod werden zu wollen", sagte Käßmann.

Am 13. November soll es eine "Orientierungsdebatte" zur Sterbehilfe im Bundestag geben. Dabei variieren die Positionen zwischen einer weitgehenden Erlaubnis der Suizidbeihilfe für Ärzte bis hin zu einer restriktiven Haltung, die jede organisierte Form der Suizid-Beihilfe verbieten will und eine rechtliche Erlaubnis ablehnt. Der Suizid selber soll dabei weiterhin straffrei bleiben. (mit Material von KNA und dpa)

Von Kilian Martin