Die Frage nach dem Vater
Die Mutter und der mit ihr verheiratete soziale Vater der Kinder hatten vor der medizinischen Behandlung der Mutter in einer notariellen Erklärung gegenüber der Klinik darauf verzichtet, Auskunft über die Identität des Samenspenders zu bekommen. Die 1997 und 2002 geborenen Klägerinnen wollen trotzdem wissen, wer ihr biologischer Vater ist. Juristisch vertreten wurden die Kinder dabei von ihren Eltern.
Das Landgericht Hannover wies die Klage 2013 ab. Ein eigenes Recht auf die Kenntnis ihrer Abstammung könnten Kinder erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres geltend machen. Sie müssten ein Alter haben, in dem sie Konsequenzen ihres Wunsches beurteilen und verarbeiten könnten. Ein Ausnahmefall, etwa eine Erkrankung, bei der die medizinische Situation der Eltern eine Rolle spielen könne, liege nicht vor. Dass ein solcher Auskunftsanspruch generell besteht, wird nach einem entsprechenden Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm aus dem Jahr 2013 allgemein angenommen und aus dem Grundgesetz abgeleitet.
Embryonenschutzgesetz nicht mehr zeitgemäß
Die Reproduktionsmedizin ist eine vergleichsweise junge Fachrichtung. Eine wesentliche Triebfeder ihrer Weiterentwicklung war der Kinderwunsch von Paaren, die ohne fremde Hilfe nicht zeugungsfähig waren. Das erste sogenannte Retortenbaby weltweit kam 1978 in Großbritannien zur Welt, vier Jahre später wurde in Erlangen nach einer In-vitro-Fertilisation das erste deutsche im Reagenzglas gezeugte Baby geboren. Dabei werden Spermien außerhalb des Mutterleibes in eine Eizelle verpflanzt.
Inzwischen haben sich die Zahl der Methoden und die wissenschaftlichen Kenntnisse vervielfacht. Das 1990 vom Bundestag verabschiedete Embryonenschutzgesetz hält schon lange nicht mehr mit der medizinischen Wirklichkeit Schritt. Zwar setzt sich der 2001 als Nationaler Ethikrat gegründete Deutsche Ethikrat mit einer Reihe von Fragestellungen auseinander, doch viele bezweifeln, dass das ausreicht.
Das Thema hat viele Facetten
Medizinische Hilfe zur Erfüllung des Kinderwunsches ist keine Randerscheinung. Laut Deutschem IVF-Register kümmern sich in der Bundesrepublik rund 130 Klinken speziell um dieses Thema. Zwischen 1997 und 2013 kamen rund 203.000 Kinder durch medizinische Maßnahmen außerhalb des Mutterleibes zur Welt. Hinzu kommen 120.000 Fälle von Samenspenden. Nach Schätzungen ist inzwischen bei 3 bis 3,5 Prozent aller Fälle der Arzt nicht nur bei der Geburt, sondern auch an der Zeugung beteiligt.
Das Thema Samenspende ist nur eines von vielen in der Reproduktionsmedizin, das auch juristische, philosophische und psychologische Facetten hat. Für den Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio ist eine Samenspende keine "unverbindliche Dienstleistung". Sie dürfe nicht "auf das rein Technische innerhalb eines Geschäftsmodells reduziert werden".
Laut Maio muss vielmehr die psychologische Seite aller Beteiligten beachtet werden. Paare müssten eine gute Beratung erfahren, damit sie wüssten, welche Herausforderungen auf sie zukämen und wie sie später mit ihrem Kind sprechen könnten. Auch der Samenspender brauche Beratung, damit er die Verantwortung "klar vor sich sieht und eine gereifte Entscheidung treffen kann". Dass das Thema nun stärker in die Öffentlichkeit gerät, hält Maio für gut: Im Interesse aller sei mehr Aufklärung und Information dringend geboten.
Von Michael Jacquemain (KNA)