Christen fürchten um das Menschenrecht Religionsfreiheit

Christen als Opfer

Veröffentlicht am 08.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Eine Frau im Irak betet in einer Kirche.
Bild: © KNA
Christenverfolgung

München ‐ Anschläge auf nigerianische Kirchen, Verbote für den Bau von Gotteshäusern in Indonesien und Anklagen wegen angeblicher Gotteslästerung in Pakistan - Christen werden weltweit verfolgt. Das zeigen tagtäglich die Schlagzeilen. Der Kampf der Kulturen, wie ihn Samuel Huntington 1993 beschwor, scheint bereits begonnen zu haben.

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Und doch stecken hinter Konflikten, die auf den ersten Blick religiös motiviert sind, oft andere Gründe. Das zeigte Anfang November eine Tagung in München, veranstaltet von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung und der kirchlichen Gemeinschaft Sant'Egidio.

Dort offenbarte sich: Religionsfreiheit bietet Stoff für weitere Konflikte. "So gut wie uns geht es keiner Christengemeinschaft in der Welt", stellt der Bamberger Erzbischof und Weltkirchenbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Ludwig Schick, mit Blick auf Deutschland fest. In anderen Ländern sei die Lage der Christen sehr viel kritischer. Das müsse mehr in die Öffentlichkeit.

Christen als Opfer?

Mit seiner Meinung ist Schick nicht allein. Auch Wolfgang Baake von der Evangelischen Allianz, die CDU-Bundestagsabgeordnete und Sprecherin des Stephanuskreises, Ute Granold, sowie der Tübinger Humangeograf Rainer Rothfuß finden: Vor allem Christen wird das Recht auf Religionsfreiheit zu oft verwehrt. Davon müsse die deutsche Öffentlichkeit mehr erfahren. Sie sollte sich solidarisch zeigen und für die Verfolgten beten.

Christen als Opfer? Lange Zeit wollte das nicht zum vorherrschenden Bild des Christentums - geprägt durch Inquisition und Kreuzzüge - passen, wie der Konflikt- und Friedensforscher Rothfuß erläutert. Seit einigen Jahren werde das Thema aber stärker wahrgenommen. Dabei hilft nicht zuletzt der Weltverfolgungsindex, den das überkonfessionelle Hilfswerk "Open Doors" regelmäßig erstellt. Christen seien die größte Gruppe aller aus religiösen Gründen Verfolgten, stellte das der Evangelischen Allianz nahe stehende Hilfswerk 2012 fest. Mehr als rund 100 Millionen Christen würden weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt.

Andere Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch bezweifelten diese Schätzung kürzlich. Auch Christen aus betroffenen Ländern äußern sich weit vorsichtiger. So warnt der katholische Theologe, Franz Magnis Suseno, von der Universität Indonesia in Jakarta davor, verfolgte Christen gegen andere verfolgte Glaubensrichtungen aufzurechnen. Jeder Verfolgte sei einer zu viel. Die wachsende religiöse Intoleranz in seinem Land verschweigt er nicht. Jedoch litten vor allem muslimische Gruppen wie Schiiten oder Anhänger der Ahmadiyya unter den Diskriminierungen der muslimischen Mehrheit. Diese wiederum gingen vor allem auf das Konto einer kleinen Gruppe von Fundamentalisten.

In Nigeria trifft es die christliche Unterschicht

Ein ähnliches Bild zeichnet auch der nigerianische Erzbischof Ignatius Ayau Kaigama von seiner Heimat. Schuld an den "ungerechtfertigten Angriffen" auf Christen sei eine Minderheit, die terroristische Gruppe Boko Haram. Von ihr dürfe nicht auf alle Muslime geschlossen werden. Der Sonderberater der pakistanischen Regierung in Sachen religiöse Minderheiten, Paul Bhatti, sieht vor allem soziale Unterschiede als eigentlichen Grund für Diskriminierung. Meist gehörten verfolgte Christen der Unterschicht an. Es sei daher unabdingbar, Lösungen auf gesellschaftlicher Ebene zu finden.

Während also deutsche Interessensvertreter zur Solidarität mit verfolgten Christen weltweit aufrufen, warnen Kaigama, Bhatti und Suseno einhellig vor Dramatisierung in den Medien. Freilich müsse darüber berichtet werden. Viel wichtiger als einzelne Schreckensnachrichten aber sei es, dass die Welt die Länder nicht vergesse. Denn jeder nicht investierte Euro oder jeder aus Angst abgesagte Vor-Ort-Besuch spiele Fundamentalisten in die Hände oder wie es der nigerianische Erzbischof Kaigama formuliert: "Nicht in Nigeria zu investieren, heißt, die Terroristen zu unterstützen."

Von Veronika Wawatschek (KNA)

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Die Deutsche Bischofskonferenz lädt seit Jahren mit der Initiative "Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit" dazu ein, sich mit der Situation verfolgter Christen auseinander zu setzen.