Macht und System
"Die Meldungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen hatten Wirkung", sagte Andreas Zimmer, Leiter der Beratungsdienste des Bistums Trier, das für die Hotline verantwortlich war. Viele Menschen hätten durch die Angebote der Hotline, direkte Beratung oder Weiterleitung an Fachstellen Unterstützung gefunden. Zudem seien auch Internet-Beratungsangebote genutzt worden.
Rund 64 Prozent der Anrufer seien selbst Missbrauchsopfer gewesen. Es hätten sich, so Zimmer, aber auch Angehörige, Anwälte und Therapeuten gemeldet. Eingestellt wurde das Angebot, da Gesprächsbedarf offenbar immer weniger vorhanden war. "Zum Schluss gab es nur noch ein, zwei Anrufe pro Mitarbeiterschicht", sagte Zimmer.
Aufarbeitung geht weiter
Die Auswertung der anonym geführten Gespräche zeigt laut Zimmer unter anderem, dass einerseits jeder Missbrauch einzigartig sei, andererseits der Faktor Macht- und Vertrauensmissbrauch immer eine Rolle gespielt habe. Es hätte sich überdies gezeigt, wie Beschuldigte den kirchlichen Rahmen ausgenutzt hätten: Missbrauch der Autorität des Amts, Ausnutzung der psychischen Wirkung von symbolischen Handlungen wie Beichte und Gebet sowie die Vortäuschung, die Delikte seien Ausdruck "liebender Verbundenheit in Christus oder Auserwählung vor Gott", wie Zimmer erläuterte.
Das Ende der Hotline bedeutet aber nicht das Ende der Aufarbeitung. In den vergangenen drei Jahren hätte sich die Kirche mit "hohem Einsatz und umfangreichen Maßnahmen um eine gründliche und transparente Aufarbeitung" des Missbrauchs bemüht, sagte der Trierer Bischof Stephan Ackermann, zugleich Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Die sinkende Nachfrage rechtfertigte seiner Ansicht nach die Einstellung der Hotline.
Aufarbeitung wird fortgesetzt
Zugleich betonte Ackermann, dass sich die Bischöfe "weiterhin mit gleichbleibender Intensität und Konsequenz" der Aufarbeitung widmen wollen. Das seien die Kirche und besonders er als Missbrauchsbeauftragter den Opfern schuldig. Als "erschütternd" bezeichnete Ackermann den Umstand, dass Missbrauch nie zufällig geschehen sei. "Dass ausgerechnet ein Vertrauensverhältnis missbraucht wurde, ist für mich als Bischof das Abscheuliche daran."
In diesem Zusammenhang ging der Trierer Bischof auch auf den Fall Pfeiffer ein. Die Kündigung des Kriminologen bedeute "einen herben Rückschlag" in der wissenschaftlichen Aufarbeitung. An der heftigen Debatte darüber in der Öffentlichkeit hätten sowohl die Bischöfe als auch Pfeiffer und die Medien Anteil. Wie Ackermann weiter sagte, gebe es bereits eine Reihe von Wissenschaftlern, die sich gemeldet hätten, um an Pfeiffers Stelle zu treten. Namen nannte er ebenso wenig wie einen Zeitplan für die Fortsetzung: "Ich lasse mich nicht unter Zeitdruck setzen."
Aufklärung steht noch am Anfang
Das Thema Missbrauch werde ihn wohl noch eine ganze Zeit beschäftigen, resümierte Ackermann. Über ein Ende seiner Aufgabe als Beauftragter der Bischofskonferenz denke er deshalb noch nicht nach.
Die Auswertung der Hotline-Gespräche spiele eine wichtige Rolle in der weiteren Aufarbeitung des Missbrauchs, seiner Ursachen und der Prävention, sagte Andreas Zimmer und weiter: "Wir haben gerade erst begonnen, zuzuhören und das Dunkelfeld sexueller Gewalt ins Licht zu heben". Die Daten könnten dazu beitragen, "dass für Kinder und Jugendliche künftig vermehrt sichere Räume entstehen".
Hinweis: Informationen zu den Angeboten der katholischen Kirche zum Thema Missbrauch gibt es auf www.praevention-kirche.de . Weitere Informationen zur Bilanz der Missbrauchshotline und den genauen Abschlussbericht gibt es auf www.dbk.de .
Von Christoph Meurer