Meisner prescht vor

Veröffentlicht am 02.02.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Die postkpotale Antibabypille PiDaNa.
Bild: © KNA
Medizin

Köln ‐ Der Druck ist enorm. Erst geriet die katholische Kirche zu Jahresbeginn in die Schlagzeilen, weil sie das Forschungsprojekt zum sexuellen Missbrauch mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer aufkündigte. Dann löste die Abweisung einer vermutlich vergewaltigten Frau in zwei katholischen Kölner Kliniken eine heftige Debatte über den Umgang mit Vergewaltigungsopfern aus. Ein doppelter Mediengau.

  • Teilen:

Der Kölner Weihbischof Heiner Koch, designierter Bischof von Dresden-Meißen, hielt in der Pfeiffer-Debatte mit seinem Frust nicht hinter dem Berg: Der Eindruck, dass vertuscht werde, sei verheerend, sagte er vor wenigen Tagen. Die Kirche habe ein "sehr großes Kommunikationsproblem".

Pille unter gewissen Bedingungen erlaubt

Kardinal Joachim Meisner.
Bild: ©KNA

Kardinal Joachim Meisner.

Mit Blick auf die Kölner Vorfälle scheint Kardinal Joachim Meisner Ähnliches gedacht zu haben. Erst entschuldigte er sich mit deutlichen Worten für die Abweisung der vergewaltigten Frau. " Dieser Vorgang beschämt uns zutiefst ", räumte er ein. Am Donnerstag dann die zweite Aufsehen erregende Stellungnahme des Kölner Erzbischofs: Nach Beratungen mit Fachleuten sei er zu dem Schluss gekommen, dass eine "Pille danach" unter gewissen Umständen auch in katholischen Kliniken gegeben werden könne.

Nach einer Vergewaltigung sei nichts gegen Präparate einzuwenden, die lediglich eine Befruchtung verhindern, so begründete der Kardinal sein Umdenken. Zuvor hatte ihm die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer vorgeworfen, er wolle vergewaltigte Frauen gewissermaßen zwingen, sich befruchten zu lassen. Nun erläuterte das Erzbistum Köln, dass Abtreibungspillen wie "RU 486" aus Sicht der Kirche nach wie vor in jedem Fall abzulehnen sind. Denn die führten zum Tod einer bereits befruchteten Eizelle, und dieser komme bekanntlich "der Schutz der Menschenwürde" zu.

Regel gilt nur im Erzbsitum Köln

Zuvor hatten mehrere katholische Theologen, darunter der Freiburger Moralethiker Eberhard Schockenhoff, und der Mainzer Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt eine differenzierte Debatte über die "Pille danach" in der katholischen Kirche angeregt und auf Weiterentwicklungen bei neueren Präparaten verwiesen.

Schwangerschaftsverhütung durch die "Pille danach".
Bild: ©KNA

Schwangerschaftsverhütung durch die "Pille danach".

Die öffentlichen Reaktionen auf die Äußerungen des Kölner Kardinals waren ausgesprochen positiv. "Meisner zeigt sich lernfähig" oder "Meisners Reue danach" orakelten die Zeitungen am Freitag, viele von ihnen auf den Titelseiten. Und doch bleiben Fragen offen. Gerade für diejenigen unter den rund 435 katholischen Krankenhäusern, die außerhalb des Erzbistums Köln angesiedelt sind. Denn Kardinal Meisner hat zunächst nur für die Krankenhäuser seines Erzbistums gesprochen. Damit hat er, was sonst selten geschieht, vom eigenständigen Lehramt des Ortsbischofs Gebrauch gemacht, das innerhalb des vom römischen Lehramt vorgebenden Rahmens gewisse Spielräume hat.

Andere Bischöfe haben sich bislang nicht öffentlich geäußert; nur die Ortsbischöfe und nicht die Deutsche Bischofskonferenz geben die Richtlinien für die Einrichtungen ihrer Diözesen vor. Aus dem Bereich der kirchlichen Kliniken werden deshalb Rufe nach weiteren Klarstellungen laut. Schon vor den Meisner-Äußerungen hatte der Geschäftsführer des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschland (KKVD), Thomas Vortkamp, auf die schwierige Lage der kirchlichen Krankenhäuser hingewiesen. Sie stünden im Spannungsfeld zwischen Moralvorgaben und gesellschaftlichen Erwartungen. Der KKVD will das Gespräch mit den Bischöfen suchen. "Kann man sich völlig abschotten, kann man alles mitmachen? Das sind schwierige ethische Fragen, die aber die einzelnen Krankenhäuser nicht allein lösen können."

Ein Thema für die Frühjahrsvollversammlung?

Mitte Februar treffen sich die Bischöfe zu ihrer Frühjahrsvollversammlung in Trier. Ob sie das Thema diskutieren werden, ist bislang nicht bekannt. Nicht ausgeschlossen auch, dass die Glaubenskommission der Bischofskonferenz sich der heiklen Frage annimmt. Oder dass der Vatikan seine Zurückhaltung aufgibt. So könnte etwa der neue Präfekt der Römischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, sich in weltweit verbindlicher Weise dazu äußern, unter welchen Bedingungen eine nicht abtreibende "Pille danach" moralisch erlaubt ist.

Von Christoph Arens (KNA)