"Despotie und Duckmäusertum"
Darin zeichnen Theologen, Soziologen und Kirchenrechtler sowie der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz die Stationen der Entfremdung zwischen Bischof und Basis nach - und versuchen Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Schonungslose Analyse
Keineswegs, um den auf dem Höhepunkt der bundesweiten Aufregung um einen Erste-Klasse-Flug nach Indien, Koi-Karpfen und verschwiegene Millionenbaukosten als Protz- und Lügenbischof charakterisierten Tebartz-van Elst zu desavouieren oder erneut zu skandalisieren, wie der Herausgeber und Leiter des Frankfurter Bildungshauses "Haus am Dom", Joachim Valentin , verspricht. Vielmehr gebe es für die Kirche keine Alternative zur schonungslosen Analyse, wenn sie den von den Autoren beobachteten, enormen kirchlichen Vertrauensverlust durch den Fall überwinden wolle.
Für den Salzburger Theologen Gregor Maria Hoff bietet die Krise die Chance, über die Ausübung und Gestaltung des Bischofsamtes nachzudenken. Bischöfe dürften nicht länger auf unabhängige Fachberater - etwa in Finanzfragen - verzichten und müssten bei allen Entscheidungen den Rat "kritischer Gesprächspartner" suchen.
Für Hoff steht zudem fest, dass das System der Bischofsernennung in der katholischen Kirchen an seine Grenzen gekommen ist: "Vielleicht ließe sich ernstmachen mit einer aktiven Beteiligung des Volkes Gottes an der Bestimmung der Bischöfe? Weitermachen wie bisher ist kein Weg."
Unter eigenem Lügengebäude begraben
Breiten Raum geben verschiedene Autoren der wiederholt geäußerten These, Tebartz-van Elst sei vor allem Opfer einer Medienkampagne oder gar einer "Menschenjagd" (Kardinal Müller) geworden. Detailliert zeichnet der Eichstätter Medienwissenschaftler Christian Klenk die Stationen der medialen Skandalisierung nach. Fazit: Die Berichterstattung war richtig und notwendig, um Licht ins Dunkle zu bringen. Und die Vielzahl der medial erhobenen Vorwürfe wurde durch den Untersuchungsbericht der Bischofskonferenz bestätigt.
Tebartz selbst verfing sich durch sein eigenes Handeln immer stärker im "Teufelskreis von Vertuschung und Falschaussagen". Gleichwohl habe es gravierende Fehltritte der Medien gegeben, urteilt Klenk: etwa die Spekulationen über eine psychische Erkrankung des Bischofs oder die systematische Nutzung von unvorteilhaften Fotografien. Insofern sei Tebartz sowohl Täter als auch Opfer gewesen.
FAZ-Kirchenexperte Daniel Deckers formuliert das so: Das eigene Lügengebäude habe Tebartz unter sich begraben und der Gesamtskandal das Vertrauen, die Integrität und Dignität des Bischofsamtes "unwiederbringlich" beschädigt.
Keine Worte zur Mitverantwortung des Domkapitels
Mit harschen Vorwürfen und Klartext spart auch der Frankfurter Stadtdekan zu Eltz nicht, der als einer der ersten Tebartz öffentlich kritisierte . In "Siebenmeilenstiefeln mit Stahlkappen" habe der Bischof versucht, das Bistum nach seinem eigenen Vorstellungen umzugestalten. Vielerorts habe er auf ein System von "Despotie und Duckmäusertum" gesetzt.
Das 31 Millionen teure Bischofshaus auf dem Domberg sei schließlich Tebartz' "Spukhaus und Spiegelkabinett" geworden. Ebenso klare Worte zur eigenen Rolle, zur Mitverantwortung und Fehlern des Domkapitels, dem zu Eltz angehört, findet er indes nicht. Erstaunlich auch, dass der Band nicht eine Frau zu Wort kommen lässt.
Nach der jüngsten Ankündigung, dass Tebartz-van Elst im September sein Limburger Bischofshaus verlassen und nach Regensburg umziehen wird, ist die öffentliche Debatte langsam verblasst. Intern ist die Aufarbeitung längst nicht abgeschlossen, wie der Band beweist. Am Freitag will die katholische Kirche die Kirchenaustrittszahlen für 2013 bekanntgeben.
Von Volker Hasenauer (KNA)
Joachim Valentin (Herausgeber): Der "Fall" Tebartz-van Elst - Kirchenkrise unter dem Brennglas, Verlag Herder, 208 Seiten, 14,99 Euro.