"Atmosphäre der Offenheit"
Zugleich warnte Marx vor aber zu hohen Erwartungen an das Bischofstreffen . Wer glaube, "jetzt werden morgen Beschlüsse gefasst, der wird sicherlich enttäuscht", so der Kardinal. Er hoffe auf eine breite Diskussion über das Thema Ehe und Familie in der gesamten Kirche. Gleichzeitig wandte sich Marx gegen eine Glorifizierung einer vermeintlich guten alten Zeit: "Wir sollten den Unterton vermeiden, es habe irgendwann eine ideale Realität von Ehe und Familie gegeben", sagte Marx. Dies sei eine "falsche" und "ungeschichtliche" Sicht, "die ein bisschen reconquistamäßig" sei. Reconquista bedeutet Rückeroberung und beschreibt die christliche Wiedereinnahme der spanischen Halbinsel von den Mauren im Mittelalter. Es dürfe in der Frage nach Ehe und Familie nicht darum gehen "wiederzugewinnen, was wir mal hatten", so Marx.
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Zugleich forderte er eine "öffentliche Debatte" über das Thema in der Kirche. In diesem Sinne habe er sich auch bei der Familiensynode geäußert. Der Kardinal betonte, die Lehre der Kirche sei kein "statisches Gebilde" und müsse "weiterentwickelt" werden. Die Bischofssynode habe zwar nicht das Ziel, die Lehre zu verändern. Aber man könne auch nicht sagen: "Wir rühren nicht an der Lehre und betrachten nur die Pastoral." Die Kirche müsse die christliche Botschaft von der Familie vielmehr mit den heutigen Menschen "neu erarbeiten" und einen "neuen Blick auf die Lehre werfen", so Marx.
Marx fordert differenzierte Sicht auf Homosexualität
Der Kardinal plädierte auch für eine differenziertere Sicht der katholischen Kirche auf Homosexualität. Über eine homosexuelle Beziehung, die über Jahrzehnte treu gelebt werde, könne man nicht sagen, "das ist alles nichts". Dies sei ein "bisschen zu stark". In solchen Fällen dürfe die Kirche nicht einfach alles über einen Kamm scheren, sondern müsse es genauer anschauen, forderte Marx. Deswegen heiße er aber "nicht einfach homosexuelle Beziehungen gut".
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Der erste Tag der Bischofssynode sei "Mut machend" gewesen und habe in einer "Atmosphäre der Offenheit" stattgefunden, berichtete Marx weiter. Die Bandbreite der Beiträge sei sehr groß gewesen. Geäußert hätten sich "viele, die klar gemacht haben, dass sie ein pastorales Interesse haben, dass sie die Realitäten der Menschen wahrnehmen". Die Meinungsverschiedenheiten einiger Kardinäle im Vorfeld hätten keinen Raum mehr eingenommen. "Das spielt hier alles keine Rolle", betonte Marx.
Auf dem zweiwöchigen Treffen, das noch bis zum 19. Oktober dauert, beschäftigen sich 191 Bischöfe aus aller Welt sowie Laienvertreter mit Fragen der Pastoral von Ehe und Familie. Aus Deutschland nimmt neben Kardinal Marx auch die Berliner Familienseelsorgerin Ute Eberl beratend an den Debatten teil. Der offizielle Titel des außerordentlichen Bischofstreffen lautet "Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familie im Kontext der Evangelisierung". Zur Vorbereitung hatte der Vatikan einen umfangreichen Fragenbogen in alle Teile der Weltkirche verschickt, um so einen Überblick darüber zu erhalten, wie Katholiken heute zur Lehre der Kirche in Sachen Ehe und Familie stehen. Das Treffen soll eine weitere Synode im kommenden Jahr vorbereiten, Entscheidungen werden dieses Mal nicht erwartet. (som/KNA/dpa)