Schwerer Diebstahl
So sehr nimmt der Trend zu, dass das Deutsche Glockenmuseum in Gescher sich Ende Oktober mit einer Warnung an die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Deutschland wandte: "Passt auf Eure Glocken auf!" lautet der Tenor einer Pressemitteilung.
600 Kilo schwere Glocke geklaut
Besonders spektakulär ist der Fall der evangelischen Christophorus Kirchengmeinde Laage im Landkreis Rostock: Sind die gestohlenen Klangkörper sonst häufig eher kleinerer und leichterer Natur, wurde hier eine 600 Kilogramm schwere Glocke aus einem Glockenstuhl an einem selten besuchten Friedhof in Groß Ridsenow geklaut. Erst wenige Monate zuvor hatte ein Glockensachverständiger festgestellt, dass es sich bei dem Stück um ein besonders wertvolles Exemplar handelt und der Gemeinde geraten, die Glocke an einen geschützten Ort zu bringen.
Gerade als dieser Vorschlag umgesetzt werden wollte, wurde der Diebstahl bemerkt. "Das war natürlich eine schlimme Entdeckung. Nicht nur, dass den Dieben jeder Respekt und jede Achtung verloren geht. Wir hatten ja schon alles in die Wege geleitet", erklärt Pastor Thomas Kretschmann. Auch die Gemeinde ist betroffen: "Die Menschen leiden richtiggehend. Über das Ausmaß bin ich selbst überrascht", erklärt der Pastor.
Ideeler Verlust oft schwerer als materieller
Wie in Laage, so ist auch in anderen beklauten Gemeinden das Ärgerliche nicht nur rein materiell. "Die Diebe bekommen beim Schrotthändler vielleicht gut fünf Euro pro Kilogramm Rohmaterial, die Versicherungssumme mag vielleicht bei einigen Tausend oder Zehntausend Euro liegen, aber am schlimmsten ist oft der ideelle Verlust", sagt Jan Hendrik Stens vom Glockenmuseum in Hescher.
Deshalb rät das Museum den Kirchengemeinden, Glocken, die vor Kirchen abgestellt oder in frei stehenden Glockenstühlen montiert sind, zu sichern und bisher möglicherweise frei zugängliche Kirchtürme abzuschließen. "Auch eine häufige Anwesenheit schreckt Diebe natürlich ab, genauso wie das Läuten der Kirchenglocken", erklärt Stens.
So kann anderen Kirchengemeinden möglicherweise die Erfahrung erspart bleiben, die die Menschen in Groß Ridsenow erlebten. Die haben ihre Glocke inzwischen wieder zurück – allerdings in unzähligen Einzelteilen. Denn die Täter verkauften ihr Diebesgut an einen Schrotthändler, der sich gleich ans Werk machte. Erst als das historische Stück bereits zerstört war, wurde der tragische Irrtum entdeckt. Was die Kirchengemeinde jetzt mit den Scherben anstellt, ist allerdings noch unklar: "Natürlich gibt es Überlegungen, die Einzelteile wieder zusammenzusetzen. Aber das kostet. Noch ist nichts entschieden", sagt Pastor Kretschmann.
Von Gabriele Höfling