Gutes Töten?
Über diese Fragen sprachen fünf Wissenschaftler auf einer Podiumsdiskussion vor rund 200 Zuhörern im Militärhistorischen Museum in Dresden. Und der Leiter des Museums, Oberst Matthias Rogg, stellte gleich am Anfang klar, dass die Diskussion um das "Töten auf Distanz" nicht neu ist. Bereits auf dem Lateran-Konzil im Jahr 1139 sei der Einsatz der Armbrust im Krieg diskutiert worden. Christliche Heere durften sich nach einem Beschluss des Konzils nicht mit Armbrüsten bekämpfen - ein Verbot, an das sich niemand hielt. Auch der Einsatz von Drohnen verändere die Kriegsführung: Kämpfer würden zu "technischen Mitarbeitern".
Möglichst wenige "Kollateralschäden"
Dieser Wandel, die Technisierung des Krieges, wurde von Daniel Statman durchaus begrüßt. Statman lehrt Philosophie an der Universität Haifa in Israel. Für ihn sind Drohnen "ein Mittel für den Krieg, wie Panzer, Flugzeuge oder Hubschrauber auch". In einem Krieg mit konventionellen Waffen sei die Zivilbevölkerung viel mehr betroffen, würde mehr leiden. Das sei ein wesentlicher Grund, warum viele westliche Staaten Waffen bevorzugen, bei denen es möglichst wenige "Kollateralschäden" gebe.
Automatische Drohnen haben seiner Ansicht nach zudem einen weiteren Vorteil. Sie reagieren ohne Emotionen. Negativ könne man sagen,"eine Drohne kennt kein Mitgefühl". Allerdings kenne eine automatische Maschine auch nicht Gefühle wie Wut oder Rachsucht.
Auch der Völkerrechtler Stefan Oeter von der Universität Hamburg verglich Kampfdrohnen mit Panzern, Hubschraubern und Flugzeugen. Die Drohne sei keine Revolution der Kriegsführung. Es mache aus seiner Sicht keinen Unterschied, ob eine Rakete von einer unbemannten Drohne oder einem bemannten Flugzeug oder Fahrzeug abgeschossen werde. Probleme würden sich vielmehr aus dem sogenannten "targeted killing" ergeben. Mit dem Begriff wird die gezielte Tötung von Personen bezeichnet, die verdächtigt werden, Terroristen zu sein.
Der "asymmetrische" Konflikt
Ein solcher Einsatz von Drohnen sei typisch für sogenannte "asymmetrische Konflikte", also die Auseinandersetzungen von Staaten mit nicht-staatlichen Gegnern wie Taliban oder al-Quaida. Genau dieser Einsatz sei problematisch. Wer darf in einem asymmetrischen Konflikt denn überhaupt als Ziel gelten? Diese Fragen zu klären stelle das Völkerrecht vor große Herausforderungen, sagte Oeter.
„Eine Drohne kennt kein Mitgefühl“
Kritik an der Praxis des "targeted killing" und den darüber hinausgehenden "signature strikes" übte der Politikwissenschaftler Peter Rudolf von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Bei "signature strikes" würden auch größere Gruppen von Personen aus der Distanz getötet. Neben den Anführern terroristischer Gruppen würden dabei auch "Fußsoldaten" bewusst ins Visier genommen. Noch problematischer sei allerdings, dass diese Angriffe auch durch den amerikanischen Geheimdienst CIA ausgeführt würden.
Der Kreis möglicher Zielpersonen werde durch den Geheimdienst sehr groß gefasst, so Rudolf weiter. Nach unbestätigten Informationen seien durch den Einsatz von Kampf-Drohnen durch die CIA in den vergangenen Jahren 3.000 Menschen getötet worden, die meisten davon in Pakistan und dem Jemen. Wer die Entscheidung über die Tötung von Gegner fälle, sei der Öffentlichkeit vollkommen unbekannt.
Vor Verallgemeinerungen warnte Thomas R. Elßner, Dozent für katholische Theologie und Ethik am Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz. Man könne den Einsatz von Drohnen bei der Bundeswehr, dem amerikanischen Militär und durch die CIA nicht in einen Topf werfen. In Deutschland erteile grundsätzlich das Parlament den Auftrag für den Einsatz der Bundeswehr. Dabei seien der Schutz der eigenen Soldaten, die Verhältnismäßigkeit der Mittel und die Vermeidung von Kollateralschäden ein Argument für den Einsatz von Drohnen.
Was man den Soldaten zumutet
Die Bundeswehr kenne eine Praxis wie das "targeted killing" nicht. Drohnen seien "oftmals das einzige Mittel zur Unterstützung der Soldaten aus der Luft", sagte Elßner. Dabei würden auch unbemannte Flugzeuge, nichts anderes seien Drohnen, dem Verfassungs- und Völkerrecht unterliegen. Ethisch seien Drohnen neutral. "Waffen tun nichts von sich aus", sagte Elßner. Gestritten wurde über die psychologischen Auswirkungen des Tötens auf Distanz.
Die Bediener von Drohnen sitzen in der Regel in Kommandozentralen weit entfernt vom Kampfgebiet. Der These von Thomas R. Elßner, die Entscheidungen eines Drohnenpiloten seien durch die Distanz zum Kampfgeschehen rationaler, widersprach der Greifswalder Psychologe Harald J. Freyberger.
Aus der Forschung wisse man, dass Distanz zu Irrationalität führe. Er frage sich, wie Menschen es verarbeiten könnten, nachmittags eine Drohne zu steuern und dabei Menschen zu töten. Nur wenige Stunden später säßen diese Drohnen-Piloten dann mit ihrer Familie beim Abendbrot. Freyberger warnte, die Bundeswehr müsse "aufpassen, was wir unseren Soldaten da zumuten".
Von Markus Kremser