Extremisten attackieren Kirchen und Schulen

Der Westen in der Pflicht

Veröffentlicht am 15.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Ägypten

Bonn/Aachen/Kairo ‐ Rafic Greiche, Pressesprecher der Katholischen Bischofskonferenz in Ägypten, hat der westlichen Politik Naivität und zu viel Wohlwollen gegenüber den Muslimbrüdern vorgeworfen. Sie verstehe nicht, was in Ägypten vor sich gehe, sagte Greiche im Gespräch mit Vertreter des katholischen Missionswerks missio am Donnerstag in Aachen. Die koptischen Christen in Ägypten haben unter der blutigen Konfrontation zwischen den Islamisten und der Staatsmacht besonders zu leiden.

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Nachdem die Polizei am Mittwoch mit der gewaltsamen Räumung der Protestlager der in Kairo begonnen hatte, attackierten Sympathisanten der islamischen Protestler Gotteshäuser und andere Einrichtungen der christlichen Minderheit in neun Provinzen.

Dabei wurden nach Angaben der Polizei und christlicher Aktivisten 26 Kirchen verwüstet. Die Angreifer warfen unter anderem Brandbomben auf die Gebäude. 13 weitere Gotteshäuser wurden leicht beschädigt. Außerdem attackierten die Extremisten sechs christliche Schulen und vier Gemeindezentren.

"Die Kopten dürfen nicht zu Sündenböcken werden"

In Suez wurde eine Schule der Franziskaner angezündet. In den südlichen Provinzen Al-Minia und Luxor zerstörten radikale Islamisten zudem Häuser, Autos, Geschäfte und Nil-Ausflugsbote, die Christen gehören. In Luxor zündeten sie zwei Etagen des Hotels eines Christen an. Touristen wurden nicht verletzt.

Der Koordinator der ägyptischen Bewegung gegen religiöse Diskriminierung, Munir Megahed, hatte vor Beginn des Polizeieinsatzes gegen die Protestlager der Anhänger von Ex-Präsident Mohammed Mursi berichtet, es habe in den letzten Wochen verstärkt Drohungen gegen Christen gegeben. Megahed sagte damals: "Die Kopten dürfen nicht zu Sündenböcken werden."

Pressesprecher Rafic Greiche zufolge drohen die Muslimbrüder allen Ägyptern, nicht nur den Christen. "Sie drohen den moderaten Muslimen, den Konservativen, den Liberalen und denen vom linken Flügel", so Greiche weiter. "Die Muslimbrüder wollen uns ruinieren und Ägypten zerstören – mehr noch, als es ohnehin schon in dem einen Jahr passiert ist, in dem sie an der Macht waren." Greiche verteidigte den Ausnahmezustand, den die ägyptische Übergangsregierung verhängt hat. Von einem drohenden Bürgerkrieg könne aber nicht die Rede sein.

Europäische Staaten bestellen Botschafter ein

Auch der koptische Bischof für Deutschland, Anba Damian, hat massive Gewalt gegen die christliche Minderheit in Ägypten beklagt. Der Bischof appellierte an EU und Bundesregierung, die Muslimbrüder und Ex-Präsident Mursi nicht weiter zu unterstützen. Die große Mehrheit des ägyptischen Volkes sei gegen die Islamisten und Mursi. Deshalb drohe Deutschland, die Freundschaft vieler Ägypter zu verlieren, wenn es sich weiter für Mursi einsetze.

Anba Damian, Koptischer Bischof für Deutschland.
Bild: ©KNA

Anba Damian ist koptischer Bischof für Deutschland.

Nach dem blutigen Mittwoch mit mehr als 520 Toten bereiten sich die Sicherheitskräfte in Ägypten zurzeit auf neue Massenproteste der Muslimbruderschaft vor. Die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi riefen zu weiteren Demonstrationen für diesen Freitag auf.

Die EU-Außenminister wollen die dramatische Lage in Ägypten voraussichtlich am Montag oder Dienstag erörtern. Das teilte die italienische Außenministerin Emma Bonino am Donnerstag in Rom mit. Unter den europäischen Partnern seien permanente Konsultationen im Gang. Man habe auch gemeinsam mit den USA vermitteln wollen, doch das ägyptische Militär habe dies abgelehnt, so die Ministerin.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte die blutigen Zusammenstöße und ließ am Donnerstag den ägyptischen Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellen. Dem Botschafter sei bei dem Gespräch "in aller Deutlichkeit die Haltung der Bundesregierung dargelegt" worden, hieß es danach.

Auch in Paris, London und Rom wurden die Vertreter Ägyptens einbestellt. Deutsche Außenpolitiker brachten eine Aussetzung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ins Gespräch (meu/KNA/dpa).

Papst betet für Opfer

Papst Franziskus betet für die Opfer der blutigen Zusammenstöße in Ägypten. Bei seinem Mittagsgebet mit mehreren Tausend Besuchern vor der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo erinnerte das Kirchenoberhaupt an die Toten und Verletzten des Konflikts sowie deren Familien.