Mit oder ohne Gott?
Christen und Muslime reagierten verärgert und forderten die Politiker am Dienstag in der Zeitung öffentlich zu einem Bekenntnis zu Gott auf. Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen fürchtet offenbar, dass der Politik eine grundsätzliche Wertehaltung verloren geht. "Der Gottesbezug drückt aus, dass alles, was wir tun, nicht nur auf menschlichem Wissen, Können, Wollen beruht", sagte er den "Lübecker Nachrichten". In Fragen von Tod und Leben, Sinn und Wert, Gut und Böse dürfe es keine "Diktatur der Mehrheit" geben.
Außerdem betonte der für Schleswig-Holstein zuständige katholische Bischof, der Gottesbezug sei keine unzulässige Vereinnahmung in einer multikulturellen Gesellschaft. Die Formulierung "in Verantwortung vor Gott" in der Präambel des Grundgesetzes sei bereits ein Kompromiss, unter dem sich Angehörige verschiedener Religionen sammeln könnten, da kein bestimmtes Gottesbild festgelegt werde.
"Wir leben ja in einem christlichen Land"
Das sieht auch der Vorsitzende der islamischen Religionsgemeinschaft im Land, Fatih Mutlu, so: "Es gibt nur den einen Gott", an den in verschiedenen Konfessionen und Religionen 70 bis 80 Prozent der Menschen in dem norddeutschen Bundesland glaubten, sagt er. Die christliche Bezeichnung "Gott" störe ihn dabei nicht, so Mutlu. "Wir leben ja in einem christlichen Land". CDU-Mann Günther begrüßte die Deutlichkeit der Äußerung Mutlus: "Das wird in der Debatte sicherlich helfen". Auch die evangelische Nordkirche begrüße und unterstütze eine Aufnahme des Gottesbezugs, sagte deren Sprecher Mathias Benckert.
„Nie wieder dürfen Menschen Gott spielen. Für die Macht über die existenziellen Fragen von Tod und Leben, Sinn und Wert, Gut und Böse gibt es eine andere Instanz.“
Der Verfassungsausschuss will bei einer Klausurtagung Ende März endgültig entscheiden, ob er den Gottesbezug in der Präambel seines Entwurfs weglässt. Die CDU ist nach Angaben Günthers für Gott in der Verfassung. FDP, Piraten und der Südschleswigsche Wählerverband sind laut Zeitung dagegen und SPD und Grüne gespalten. Wenn die Entscheidung wie erwartet ausfällt, will Günther zusammen mit einigen anderen Abgeordneten die Aufnahme des Gottesbezugs nachträglich im Plenum des Landtags beantragen. Er möchte, dass es darüber eine freie Abstimmung gibt.
Die katholische Kirche will derweil weiter das Gespräch mit Politikern in Kiel suchen. Erzbischof Thissen weist zurück, dass es bei dieser Frage um die Kirche gehe. Der Gottesbezug bringe zum Ausdruck, dass in einer Demokratie der Ort der höchsten Macht frei bleibe. "Nie wieder dürfen Menschen Gott spielen", sagte er mit Bezug auf Nationalsozialismus und Kommunismus. "Es geht um die Menschen. Und um unser Gemeinwesen. Die Kirche hat keinen Vorteil davon, dass Gott in der Präambel steht."
Von Agathe Lukassek