Der Glaube des Menschen
Aus christlicher Sicht bezeichnet Glaube das Vertrauen des Menschen in Gott als Schöpfer und letztes Ziel seines Lebens, der nicht nur Gegenüber des Glaubenden ist, sondern zugleich Inhalt des Glaubens. Glaube in diesem Sinn ist weder Beweiswissen noch einfach blindes Vertrauen, Glaube ist in der Glaubwürdigkeit des Gegenübers begründet. Glaube so ganz allgemein ist vergleichbar mit Liebe: als Grundenergie des Lebens beeinflussen Glaube und Liebe das Selbstverständnis des Menschen und seine Handlungen. Die Glaubwürdigkeit Gottes ist vor allem in seinem Sohn Jesus Christus erfahrbar, aber auch in den von Gott erwählten Glaubenszeugen, die sich durch ihr Leben und Handeln als glaubwürdig erwiesen haben. Nach christlichem Glaubensverständnis beansprucht der Glaube den ganzen Menschen mit Herz und Verstand. Nur so kann der Glaubende sich auf Gott einlassen und Mensch und Gott können eine personale Beziehung eingehen.
Der Glaube und seine Bedeutung
Das christliche Glaubensverständnis ist ohne den alttestamentlichen Glauben nicht denkbar. Auch wenn es keinen einheitlichen Wortgebrauch für die Glaubenshaltung des alttestamentlichen Menschen gibt, entsprechen die den Glauben beschreibenden, aus dem Hebräischen stammenden Übersetzungen wie „fest“, „sicher“, „trauen“, „hoffen“, „harren“ und „sich bergen“ dem Wortsinn von Glaube. Der biblische Befund stellt den Glauben im Alten Testament als eine personale Beziehung zwischen Gott und Mensch vor. Beispielhaft ist der Glaube Abrahams und seine gehorsame Bereitschaft, Gottes Anruf und Herausforderung zu folgen. Deshalb bezeichnet die Bibel Abraham auch als Vater des Glaubens. „Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt“, schreibt der Apostel Paulus im Römerbrief (4,18) über Abraham. Der persönliche Gott Abrahams ist auch der Gott der Geschichte des Volkes Israels, das mit dem Auszug aus Ägypten Volk und Partner Gottes wird. Im Verlauf der Geschichte Israels, und zwar zur Zeit der alttestamentlichen Propheten, wird der Gottesglaube vertieft und weiterentwickelt: Ein festes Stehen im Glauben wird zur Ermöglichung menschlicher Existenz. Ein solcher Glaube ist weder naiv noch anspruchslos. Das zeigen zu viele Beispiele namenloser Leidender aus den Büchern der Psalmen und nicht zuletzt das Schicksal Hiobs, der ohne erkennbaren Grund mit Krankheit und dem Verlust seines Besitzes geschlagen wird. Glaube ist immer auch ein Ringen mit Gott und Anklage gegen erfahrene Ungerechtigkeit, ohne letztlich Gottes Heiligkeit und Vollkommenheit anzutasten. Dahinter steht die biblische Erfahrung der Treue Gottes, die das Volk Israel seit dem Auszug aus Ägypten immer wieder erleben durfte. In diesem Sinne ist der Glaube des alttestamentlichen Menschen die Antwort auf den sich in der Geschichte offenbarenden Gott.
Im Neuen Testament wird der Glaube dann zum Dreh- und Angelpunkt der Botschaft Jesu, der zu Beginn seines Wirkens unmissverständlich fordert: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Glauben heißt umkehren, dann kann das, was vorher unmöglich schien, von Gott erhofft werden. Wenn Jesus von Umkehr spricht, meint er Glaube als bewusste Entscheidung des Einzelnen. Wie viele Menschen Jesus zum Glauben bekehrt, berichten die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas in den Wunder- und Heilungsgeschichten Jesu im Neuen Testament. Glaube wird hier zum vorbehaltlosen Vertrauen auf die Macht Gottes. Für den Evangelisten Johannes ist der Glaube an Gott und an Jesus der Schlüssel zum ewigen Leben. Nach Tod und Auferstehung Jesu erschließt sich Jesu Leben und Wirken aus einer völlig neuen Perspektive. Jetzt rückt die Heilstat Gottes, die Menschwerdung Jesu, sein Tod und seine Auferweckung, ins Zentrum des Glaubens. Tod und Auferstehung Jesu werden zum zentralen Glaubensbekenntnis und legen so den Grundstein für die Entstehung der Kirche. Glaube ist nicht mehr nur Vertrauen und Hoffnung, Glaube wird zum Inhalt der Verkündigung und zum Bekenntnis.
Unter dem Eindruck der Auferstehung Jesu Christi entwickelt der Apostel Paulus eine erste christliche Theorie des Glaubens. In den Briefen an die Römer und Galater entwirft Paulus seine Rechtfertigungslehre: Im Glauben an Christus wird der Mensch gerechtfertigt und nicht durch die eigenen Taten, derer man sich womöglich vor Gott rühmen möchte. Dieser Glaube bestimmt das ganze Leben des Menschen und ist zugleich der Motor für ethisches Handeln.
Glaube und glauben gehören zu den am häufigsten gebrauchten Begriffen des Christentums: Glaube meint den Glaubensinhalt, der formelhaft im Glaubensbekenntnis zusammengefasst wird. Glauben hingegen bedeutet das Wagnis, sich auf den Weg zu Gott zu machen und sich ihm anzuvertrauen in dem Bewusstsein, dass Gott uns zuerst und ohne irgendeine Vorleistung geliebt hat. Glauben in diesem doppelten Sinn bedeutet dann sich einerseits die christliche Botschaft anzueignen, andererseits das eigene Leben nach den Inhalten des christlichen Glaubens auszurichten. Dabei bleibt der persönliche Glaube des Einzelnen stets auf den Glauben der kirchlichen Gemeinschaft angewiesen: Im Miteinander der Glaubenden kann der Glaube des Einzelnen wachsen und reifen. In der Gemeinschaft der Kirche empfängt der Einzelne wesentliche Impulse und die erforderliche Kraft, den persönlichen Glauben in sein alltägliches Leben umzusetzen, so dass idealerweise Glauben und Leben einander durchdringen.