Mariä Empfängnis: Das missverstandene Fest
Wohl kein Fest der katholischen Kirche wird so oft missverstanden wie "Mariä Empfängnis". Selbst unter Katholiken hört man oft die Ansicht, es gehe hierbei um die Jungfrauengeburt, also die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist und seine Geburt durch Maria. Das liegt nicht zuletzt an der Doppeldeutigkeit der umgangssprachlichen Bezeichnung "Mariä Empfängnis". Dem Wortlaut nach kann das sowohl bedeuten, das Maria diejenige ist, die ein Kind empfängt als auch, dass Maria selbst empfangen wird. Klarheit schafft erst der vollständige, allerdings kaum gebräuchliche Titel "Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria".
Hinter dem Fest "Mariä Empfängnis" steht die Überzeugung, dass Maria frei von jeder Sünde ist, auch von der Erbsünde. Das unterscheidet sie von allen anderen Menschen und soll ihre einzigartige Nähe zu Gott zum Ausdruck bringen. Papst Pius IX. erhob diesen Glaubenssatz am 8. Dezember 1854 in den Rang eines unfehlbaren Dogmas. Obwohl die Unfehlbarkeit des Papstes unter bestimmten Voraussetzungen erst 16 Jahre später vom Ersten Vatikanischen Konzil formuliert wurde, gilt dieses Dogma allgemein als erste in diesem Sinne unfehlbare Entscheidung eines Papstes.
Ohne Erbschuld
Pius IX. erklärte den Inhalt des Dogmas in einer Bulle vom 8. Dezember 1854 so: „Die seligste Jungfrau Maria wurde im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, rein von jedem Makel der Erbschuld bewahrt."
Bislang hatten die Päpste eine endgültige Festlegung in diesem Punkt vermieden. Auch das Tridentinische Konzil hatte sich mit Mariä Empfängnis befasst, war aber nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen. Pius IX. hatte sich bereits seit längerem damit beschäftigt, als er 1854 das Dogma verkündete. 1849 hatte er die Bischöfe aufgefordert, ihm ihre Meinung über Mariä Empfängnis und eine etwaige dogmatische Definition dieses Glaubenssatzes mitzuteilen. Grundsätzlich gab es von den Bischöfen keine Einwände gegen die Lehre. Gegen die dogmatische Definition und die damit verbundene Aufwertung äußerten jedoch mehrere von ihnen Bedenken.
Bereits als Pius IX. das Dogma 1854 verkündete, war die Erbsünde ein kontroverses Thema, über das sich Theologen seit Jahrhunderten stritten. Wie kann der Mensch schon von Geburt an schuldig sein, bevor er überhaupt irgendetwas getan hat? Nicht selten wurde diese Schuld in der Vergangenheit mit dem Zeugungsakt und Sexualität in Verbindung gebracht. Solche Vorstellungen wurden zwar nie offizielle Lehre, aber die lange verbreitete sexualitätsfeindliche Haltung der Kirche trug dazu bei, dass diese Auffassung bis heute verbreitet ist.
Am Anfang stand die "Empfängnis der heiligen Anna"
Seinen Ursprung hat das Fest "Mariä Empfängnis" in der byzantinischen Kirche des Ostens, wo um 700 nach Christus ein Fest "Empfängnis der heiligen Anna" entstand. Anna ist die Mutter Marias. Über Italien gelangte das Fest nach Frankreich und England. Dort verschob sich der Akzent auf Maria, deren unbeflecktes Empfangenwerden nun hervorgehoben wurde. Papst Sixtus IV. führte das Fest 1476 offiziell für diese Regionen ein. Clemens XI. dehnte es 1708 auf die gesamte römische Liturgie aus.
In der Bibel findet sich kein ausdrücklicher Hinweis auf eine unbefleckte Empfängnis. Auch die griechischen und lateinischen Kirchenväter kennen sie nicht. Aber zumindest der Gedanke der Reinheit Marias taucht bei ihnen auf.
Das Hochfest Mariä Empfängnis ist in Österreich, Italien und einigen anderen Ländern - anders als in Deutschland - gesetzlicher Feiertag. Die Päpste begeben sich an diesem Tag traditionell zum Gebet an die Mariensäule an der Spanischen Treppe in Rom.
Aktualisiert am 9. Dezember 2020.