972 Fälle von Kirchenasyl mit Bezug zu Dublinverfahren
Nach Angaben des Innenministeriums hat es in der ersten Jahreshälfte 972 Fälle von Kirchenasyl mit Bezug zum sogenannten Dublinverfahren gegeben. Im vergangenen Jahr seien es insgesamt 1.561 solcher Fälle gewesen, wie das Ministerium in einer am Dienstag veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD mitteilte. Das Ministerium weist darauf hin, dass ein Fall auch mehrere Personen betreffen könne. Es handele sich bei Kirchenasyl "im weit überwiegenden Anteil um Fälle mit Dublinbezug".
Laut Innenministerium hatte Bayern mit 544 Fällen im Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30.6.2018 die meisten Fälle von Kirchenasyl zu verzeichnen. Es folgen Nordrhein-Westfalen (401) und Berlin (215). Sachsen hatte die wenigsten Fälle in dem Zeitraum (38).
In ihrer Anfrage wollte die AfD unter anderem wissen, in wie vielen Fällen und für wie viele Personen seit 1. Januar 2015 in Deutschland Kirchenasyl gewährt wurde. Außerdem fragt die AfD, wie viele Abschiebungen nach Kenntnis der Regierung durch das Kirchenasyl verhindert oder verzögert wurden. Die Fraktion begründet ihre Anfrage mit einer "Sonderrolle", die den großen Kirchen als Fürsprecher für Asylbewerber faktisch zuerkannt werde und die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestätigt worden sei. Nach Auffassung der Fragesteller stellt das Kirchenasyl "eine Behinderung oder Verzögerung rechtsstaatlicher Verfahren dar".
Beim Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften Asylbewerber auf, die von Abschiebung bedroht sind. Die Mehrzahl der Schutzsuchenden sind Dublin-Fälle, die eigentlich in das EU-Ersteinreiseland zurückgeschickt werden müssten, um dort Asyl zu beantragen. Läuft jedoch die Überstellungsfrist - bislang sechs Monate - ab, ist Deutschland für den Asylantrag zuständig. Die Innenministerkonferenz der Länder hatte Anfang Juni allerdings beschlossen, die Überstellungsfrist für Personen im Kirchenasyl in gewissen Fällen von sechs auf 18 Monate zu verlängern.
Konkret heißt es im Beschluss der Innenministerkonferenz, dass die Frist auf 18 Monate verlängert werden soll, wenn kein kirchlicher Ansprechpartner bei der Meldung des Kirchenasyls involviert sei und binnen vier Wochen keine Härtefall-Begründung vorliege. Ebenfalls zu einer Fristverlängerung soll es kommen, wenn der Antragsteller das Kirchenasyl nicht verlässt, obwohl das Bamf keinen Härtefall sieht.
Viele Bischöfe, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sowie die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl (BAG) hatten die Änderung kritisiert. Die BAG nannte die Fristverlängerung "rechtswidrig". Zwar sehe die Dublin-Verordnung durchaus vor, dass Flüchtlinge länger in dieses Land zurückgebracht werden dürften, sagte die BAG-Vorstandsvorsitzende, Dietlind Jochims. Das gelte jedoch für flüchtige Asylbewerber, was beim Kirchenasyl nicht der Fall sei. ZdK-Präsident Thomas Sternberg sagte, die Auswirkungen der Fristverlängerung seien noch zu prüfen. "Bislang hat sich kein katholisches Kirchenasyl über sehr lange Zeiträume erstreckt." Es gehe immer um zeitweise Unterbringungen, nicht um mehrere Jahre. (bod/KNA)