Papst spricht vor Politikern in Dublin von einem "schweren Skandal"

"Abscheuliche Verbrechen": Papst zu Missbrauch in Irland

Veröffentlicht am 25.08.2018 um 15:41 Uhr – Lesedauer: 
Papstreisen

Dublin ‐ In seiner ersten Ansprache nach der Ankunft in Dublin nannte Papst Franziskus den Missbrauch durch Kleriker einen "schweren Skandal". Zuvor rief Irlands Premier den Papst auf, er solle sich der Moderne stellen.

  • Teilen:

Papst Franziskus hat in Irland Scham über die "abscheulichen Verbrechen" katholischer Kleriker an Minderjährigen bekannt. Er müsse den "schweren Skandal" anerkennen, der durch den Missbrauch Minderjähriger durch Mitglieder der Kirche verursacht worden sei, "die beauftragt waren, sie zu schützen und zu erziehen", sagte der Papst am Samstag zu Beginn seines zweitägigen Besuchs. Der Skandal mache zugleich die Notwendigkeit bewusst, jungen Menschen eine "besonnene Begleitung und gesunde Werte für ihren Wachstumsprozess anzubieten".

Franziskus äußerte sich in einer Rede im Schloss von Dublin vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft. Anlass seiner Reise ist das neunte katholische Weltfamilientreffen, das seit Dienstag in der irischen Hauptstadt tagt. Überschattet wird der Besuch von einer neuerlichen Debatte über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche.

Papst räumt Versäumnisse von Verantwortungsträgern ein

Franziskus räumte ein "Versäumnis" von Bischöfen, Ordensoberen und anderen Verantwortungsträgern ein, auf die Vergehen an Minderjährigen angemessen zu reagieren. Dies habe "zu Recht Empörung hervorgerufen" und bleibe "eine Ursache von Leid und Scham für die katholische Gemeinschaft". Zum Thema Aufarbeitung verwies er auf seinen Vorgänger Benedikt XVI. Dessen "freimütiges und entschlossenes Eingreifen" sei weiterhin Ansporn, strenge Regeln zu erlassen, damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholten, sagte Franziskus in seiner von Applaus nicht unterbrochenen Rede.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Zuvor rief Regierungschef Leo Varadkar Franziskus dazu auf, seinen Einfluss zu nutzen, um für "Gerechtigkeit und Wahrheit" in den Missbrauchsfällen der katholischen Kirche in Irland und weltweit zu sorgen. Den Worten müssten Taten folgen. Die Wunden seien noch immer offen. "Wir bitten Sie, den Opfern und Überlebenden zuzuhören. Wir wissen, Sie werden das tun," so Varadkar. Er verlangte konkrete Schritte bei der Aufarbeitung der Misshandlungen in katholischen Sozialeinrichtungen wie den "Magdalene Laundries" und im Blick auf sexuellen Missbrauch durch Kleriker. Zwar habe die katholische Kirche über Generationen eine Lücke bei Gesundheitsfürsorge, Bildung und sozialen Dienstleistungen gefüllt; dafür bleibe Irland "zutiefst dankbar". Der Premierminister verwies aber auch auf "dunkle Seiten" der Kirchengeschichte und ein Versagen von Kirche, Staat und Gesellschaft, das ein bitteres Erbe hinterlassen habe. Varadkar sprach von einer "Geschichte des Leids und der Scham".

Irlands Premier: Papst soll sich der Moderne stellen

Varadkar rief Franziskus zudem zu einer neuen Beziehung zwischen Kirche und Staat auf und verwies auf eine wachsende Diversität der irischen Gesellschaft. In dem ehemals katholischen Land gehörten immer mehr Menschen anderen Glaubensrichtungen oder keiner organisierten Religionsgemeinschaft an. Irland sei "ein anderes Land als vor 39 Jahren", sagte Varadkar mit Bezug auf den letzten Papstbesuch durch Johannes Paul II. Weiter stellte sich der Regierungschef hinter Liberalisierungen der Familien- und Abtreibungsgesetzgebung. Irische Abgeordnete und Bürger hätten erkannt, "dass Ehen nicht immer gelingen, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen sollten und dass Familien viele Formen haben können", auch mit gleichgeschlechtlichen Partnern. Varadkar lebt selbst mit einem männlichen Partner zusammen.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Das traditionell katholisch geprägte Irland hatte in einem Referendum im Mai für die Möglichkeit legaler Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche gestimmt. Bereits 1995 führten die Iren gegen den Willen der Kirche das Recht auf Scheidung und Wiederheirat ein. Seit 2015 können homosexuelle Paare heiraten.

Der Papst selbst sprach frühere Spannungen zwischen Irland und dem Vatikan an und nannte sie eine "vorübergehende Wolke am Horizont". Ende 2011 hatte Dublin seine Botschaft beim Heiligen Stuhl geschlossen und dafür Sparzwänge geltend gemacht. Im Hintergrund stand eine Auseinandersetzung über den kirchlichen Umgang mit sexuellem Missbrauch. Der damalige Premierminister Enda Kenny warf dem Vatikan damals vor, Ermittlungen zu sabotieren. Zeitweilig berief auch der Vatikan seinen Nuntius aus Irland ab.

Franziskus äußerte Sorge über eine "Schwächung der Ehe und des Familienlebens. Die Familie sei der Kitt der Gesellschaft; ihr Wohl müsse "mit allen geeigneten Mitteln gefördert und geschützt werden". Dabei erwähnte er die Weitergabe des Lebens und die Erziehung neuer Generationen. Auf die Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau ging er nicht ausdrücklich ein. Hingegen kritisierte er eine "Wegwerfkultur", die Ungeborenen das Lebensrecht abspreche. (luk/KNA/dpa)