Abschied eines Rebellen
Am Montagabend gibt er das Amt als Präsident seiner Stiftung Weltethos offiziell ab. Doch dass Küng nun ganz verstummt und sein Groll über die Strukturen im Vatikan einer Altersmilde weichen könnten, ist schwer zu glauben.
Für die Zuhörer bei seinen Vorträgen war es schon seit vielen Monaten deutlich: Immer häufiger fielen dem sonst so wortgewaltigen Theologen die passenden Wörter erst nach einigem Nachdenken ein. Seine Schritte zum Rednerpult wurden vorsichtiger. Interviews gab der früher nahezu omnipräsente Küng seltener.
Fast sein ganzes Leben lang hat der Tübinger Theologie-Professor für eine moderne und zugleich ursprüngliche Kirche gekämpft. "Mehr Jesus - weniger Papst" ist eine seiner Hauptforderungen, mit der er für reformorientierte Katholiken zur Galionsfigur wurde. Damit fiel er aber auch in Rom in Ungnade, bis ihm schließlich sogar die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde.
Nachfolger aus Baden-Württemberg
Trotzdem hat es Küng oft geärgert, dass er in der Öffentlichkeit fast immer nur als Kritiker und Rebell wahrgenommen wurde. Denn sein Augenmerk als Theologe galt der Versöhnung der Weltreligionen. So entstand auch seine Idee eines Weltethos, also von Moralvorstellungen, die den Menschen aller Religionen gemein sind. Die Stiftung Weltethos, von deren Spitze sich Küng nun zurückzieht, versucht diesen Gedanken in der Welt zu verbreiten. Sie ist Küngs eigentliches Lebenswerk.
Sein Nachfolger dort ist der Präsident des Staatsgerichtshofs Baden-Württemberg, Eberhard Stilz. Der Jurist soll der Stiftung vor allem bei ihrem geplanten Wachstumskurs im Ausland helfen. Küng bleibt Ehrenpräsident. Er will sich in den nächsten Monaten mehr Zeit zum Schreiben seiner Bücher nehmen und den dritten Teil seiner Memoiren vollenden.
Und der Vatikan? So sehr Küng seine Rolle als prominenter Kirchenrebell auch genossen hat, so sehr wünscht er sich mittlerweile doch eine Aussöhnung mit seiner Kirche. Seit Franziskus Papst ist, setzt Küng zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Hoffnungen in den Vatikan - für die Kirche und auch für sich selbst.
Denn nach dem Entzug seiner kirchlichen Lehrerlaubnis rehabilitiert zu werden, das wäre sein großer Wunsch. "Es wäre ein Zeichen für viele, dass Unrecht wieder gutgemacht wird", sagte er kürzlich in einem Interview. Er hoffe, dass dies "noch zu meinen Lebzeiten geschieht".
Von Marc Herwig (dpa)