Assisi: Selig die Friedfertigen
Assisi eine Polizeifestung - diesen Eindruck wollen die Organisatoren vermeiden, wenn am Wochenende Delegationen aller Weltreligionen in die Heimatstadt des heiligen Franziskus reisen. Die Sicherheitsmaßnahmen erfolgten "dynamisch und diskret", versicherte laut italienischen Medien der Polizeichef der Provinz Perugia, Carmelo Gugliotta. Aber auch das Friedenstreffen kann nicht verhehlen, dass es in Zeiten globaler Terrorangst stattfindet.
Repräsentanten von neun verschiedenen Glaubensrichtungen versammeln sich unter dem Motto "Durst nach Frieden", um an symbolträchtiger Stätte den möglichen Beitrag der Religionen für den Frieden auszuloten und darum zu beten. Patron der Stadt und gleichsam auch des Treffens ist der Bettelbruder Franziskus (1181/82-1226), der nicht zuletzt durch seine Predigt vor dem muslimischen Heerlager im ägyptischen Damiette als Friedensapostel gilt.
Inhaltliche Debatte im Mittelpunkt
Von einem Gipfeltreffen der Religionen zu sprechen, wäre indessen verfehlt: Zwar nehmen das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios I., und Anglikaner-Primas Justin Welby durchgängig an der Zusammenkunft teil; angemeldet hat sich auch der Generalsekretär des Weltkirchenrats, Olav Fykse Tveit, und Papst Franziskus wird am Dienstag zum abschließenden Gebet und der Verabschiedung einer Friedensbotschaft erwartet. Im Mittelpunkt steht aber die inhaltliche Debatte auf der Arbeitsebene.
Diese verteilt sich auf rund 30 Podiumsveranstaltungen quer durch die mittelalterliche umbrische Kleinstadt: Nach der Eröffnung des Treffens im Beisein von Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella am Sonntagnachmittag erörtern an den beiden folgenden Tagen nach aktuellem Stand gut 500 Religionsführer, Politiker, Friedensnobelpreisträger, Wissenschaftler, Journalisten und Aktivisten Themen, die zumindest auf den ersten Blick nicht nur mit Frömmigkeit zu tun haben.
Es geht - natürlich - um das Zusammenleben der Religionen, aber auch um das Recht auf Nahrung und Trinkwasser, Information und Desinformation in der Konfliktberichterstattung, Migration, nachhaltiges Wirtschaften oder humanen Strafvollzug. In den Blick genommen werden auch einzelne Regionen, in denen es brennt, kriselt oder gärt: Aleppo ebenso wie Tunesien nach dem Arabischen Frühling, Israel und der Irak, Afrika und Indien.
"Ein prophetischerer Charakter als zuvor"
Genau 30 Jahre ist es her, dass Johannes Paul II. (1978-2005) in einer Premiere die Glaubensgemeinschaften nach Assisi eingeladen hatte, damals noch im Schatten des Kalten Kriegs. Das jetzige Welttreffen hat indessen nach Worten von Assisis Bischof Domenico Sorrentino einen "prophetischeren" Charakter als je zuvor: Die Welt befinde sich in einem Zustand, den Papst Franziskus als "Dritten Weltkrieg auf Raten" bezeichne, sagte Sorrentino.
Linktipp: Zwischen Ablass und Weltfriedenstreffen
Assisi ist Ziel von Touristen und Pilgern, von Kunstbeflissenen und Naturfreunden. Vor 30 Jahren lud Papst Johannes Paul II. die Glaubensgemeinschaften zum ersten Mal zum Friedenstreffen ein.Ähnlich verweist der Leiter katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio, Marco Impagliazzo, auf die durch Globalisierung und Terrorismus entstandenen Probleme. Die Religionen hätten sich von der Gewalt zu "entsolidarisieren", betont er. Deshalb ist Assisi auch nicht nur Gesprächsforum, sondern zugleich eine Kundgebung.
Dieses Jahr bekommt sie besonderes Gewicht durch die Anwesenheit des Papstes. Nach dem ersten Treffen 1986 hatte die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio die Idee aufgegriffen und jährlich an wechselnden Orten eine ähnliche Zusammenkunft ausgerichtet. Der Papst entsandte in der Regel einen Vertreter. Unabhängig von den Sant'Egidio-Veranstaltungen lud Johannes Paul II. noch einmal 1993 angesichts der Balkankrise nach Assisi ein, dann im Januar 2002 nach den Anschlägen vom 11. September. Ein viertes Assisi-Gebet fand am 27. Oktober 2011 auf Initiative von Benedikt XVI. (2005-2013) statt.
Kein "Religionssalat"
Jetzt beehrt Papst Franziskus das Friedenstreffen - im 30. Jahr nach der Premiere und in der Stadt seines Namenspatrons. Gebetet wird nach Glaubensrichtungen getrennt, um nach den Worten Sorrentinos den Eindruck eines "Religionssalats" zu vermeiden. Umso deutlicher wollen die Delegationen in ihrer Friedensbotschaft mit einer Stimme sprechen. Ein Zeichen, dass jede Religion, wie Impagliazzo sagt, "Energie zum Frieden" hat.