Australischer Kardinal Pell sagt vor staatlicher Missbrauchskommission aus

Auf dem Spiel steht die Reputation

Veröffentlicht am 28.11.2015 um 13:15 Uhr – Von Michael Lenz (KNA) – Lesedauer: 
Missbrauch

Sydney ‐ Hat er zur Vertuschung beigetragen? Zum dritten Mal sagt Kurienkardinal George Pell vor der australischen Missbrauchskommission aus. Im Fokus steht das Erzbistum Melbourne, deren Erzbischof der heutige vatikanische Finanzminister einst war.

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Täter waren - das ist unstrittig - katholische Priester. Die zusätzliche Brisanz liegt in dem Umstand, dass Pell in Ballarat seine Kirchenkarriere begann und ein Weggefährte derer war, die heute des Missbrauchs beschuldigt sind. Pell gehörte dem Beratergremium des damaligen Bischofs von Ballarat an, bevor er in Melbourne erst zum Weihbischof und später zum Erzbischof geweiht wurde. Mit der "Melbourne Response" schuf der Kardinal als erster australischer Bischof ein Standardverfahren zum Umgang mit Missbrauchsfällen. Zugleich lastet auf ihm jedoch der Verwurf, in Ballarat zur Vertuschung eben solcher Fälle beigetragen zu haben.

In der Erzdiözese Melbourne wurden seit 1980 laut der Untersuchungskommission 454 Missbrauchsfälle angezeigt, von denen sich ein Drittel in den 1970er Jahren ereignete. Täter waren 84 Priester sowie 104 Ordensleute und kirchliche Mitarbeiter. Eines der Opfer, Timothy Green, hatte im Mai unter Eid ausgesagt, Pell im Jahr 1974 über den Missbrauch informiert zu haben. Dieser habe lediglich geantwortet: "Mach dich nicht lächerlich." Ein weiterer Betroffener, David Ridsdale, der von seinem Onkel und Priester Gerald Ridsdale, missbraucht worden war, erklärte, Pell habe ihm Schweigegeld angeboten.

Bild: ©KNA

Kurienkardinal George Pell (74) ist Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariates und damit eine Art "Finanzminister des Papstes". Pell wurde am 8. Juni 1941 in Ballarat im australischen Bundesstaat Victoria geboren und mit 25 Jahren zum Priester geweiht. Sein Weiterstudium in Rom und Oxford führte ihn zur Promotion im Fach Kirchengeschichte.

Der Kardinal weist die Vorwürfe zurück. An das Gespräch mit Green könne er sich nicht erinnern und von Ridsdale habe er nie dessen Schweigen erkaufen wollen, so Pell in einer im Mai veröffentlichten Erklärung. Auch bei seinen früheren Aussagen vor der Kommission stand Pell häufig im Widerspruch zu Zeugen. Die Kommission tendierte dazu, den Zeugen mehr Glauben zu schenken.

Abschlussbericht wird für Dezember 2017 erwartet

Bei der Anhörung von Pell in Melbourne wird es um die von Green und Ridsdale geäußerten Vorwürfe gehen sowie um Pells Aussage, während seiner Tätigkeit in Ballarat und später als Weihbischof in Melbourne nichts mit Missbrauchsfällen zu tun gehabt zu haben.

Die Missbrauchskommission war 2013 von der damaligen Premierministerin Julia Gillard eingesetzt worden. Anhand von Fallstudien und Zeugenaussagen analysiert sie seither den Umgang von Kirchen, Religionsgemeinschaften und weltlichen Institutionen mit Missbrauchsfällen. Der Abschlussbericht wird für Dezember 2017 erwartet.

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Der Missbrauchsskandal erschütterte die katholische Kirche in ihren Grundfesten. Seit 2010 die ersten Fälle bekannt wurden, bemüht sich die Kirche um Aufarbeitung der Geschehnisse. Katholisch.de dokumentiert die wichtigsten Etappen.

Die katholische Bischofskonferenz unterstützt die Kommission durch den eigens geschaffenen Rat für Wahrheit, Gerechtigkeit und Heilung. Die Anwälte der Kirche haben auf ihr Recht verzichtet, Missbrauchsopfer mit dem Ziel zu verhören, deren Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Kardinal Pell hat unterdessen eigene Anwälte verpflichtet.

Diese müssten Green und Ridsdale in jedem Fall ins Kreuzverhör nehmen, forderte der Jesuit, Jurist und Autor Frank Brennan zu Sitzungsbeginn in einem Beitrag des Jesuitenmagazins "Eurekastreet". "Dass diese Männer als Kinder sexuell missbraucht wurden, steht außer Frage", so Brennan. Es müsse jedoch geklärt werden, ob die Vorwürfe von Green und Ridsdale "wahre und akkurate Erinnerungen" seien. Schließlich stehe die Reputation von Kardinal Pell auf dem Spiel.

Von Michael Lenz (KNA)