Auf "Valerie und der Priester" folgt "Gott im Abseits"
"Wie fändet ihr es, wenn es hier weiter ginge?", fragte die Facebook-Seite von "Valerie und der Priester" am Montag. Schon seit Mai ist das Projekt beendet, bei dem die junge Journalistin Valerie Schönian den Münsteraner Priester Franziskus von Boeselager begleitete. Die Blogeinträge, Fotos und Videos erreichten damals monatlich zwischen 200.000 und eine Million Personen auf Facebook. Noch immer haben jeweils mehr als 14.000 User die Seite geliked oder abonniert. In kürzester Zeit antworteten hunderte "Fans", dass sie eine Fortsetzung super, toll oder wunderbar fänden. Einige schlugen konkret vor, etwa einen Bischof zu begleiten oder ein Jahr im Kloster mitzuleben.
Am Mittwochmittag wurde dann das Geheimnis gelüftet: Die Seite ist umbenannt von "Valerie und der Priester" in "Gott im Abseits". Zeitgleich teilte die Deutsche Bischofskonferenz mit, dass es sich um das Anschlussformat handele und mit neuen Protagonisten neue Begegnungen geplant seien. Statt der jungen Valerie Schönian ist nun der noch jüngere Timm Giesbers (24) der Journalist, der die Fragen stellt. Er begleitet auch keinen Priester, sondern Schwester Karin Knötig von den "Missionsärztlichen Schwestern", deren weltweit 660 Frauen sich um Kranke kümmern und die den Menschen die "heilende Gegenwart Gottes" aufzeigen wollen.
Kirchenferne Journalisten begleiten Seelsorger im gesellschaftlichen Abseits
Bei "Gott im Abseits" sollen verschiedene junge Medienschaffende in mehreren Staffeln Ordensleute und pastorale Mitarbeiter begleiten, die sich für Menschen am gesellschaftlichen Rand engagieren. "Der Titel spielt auf die diakonischen Aufgaben an und darauf, dass man da hin geht, wo man Gott und Kirche vielleicht nicht vermutet", sagt der Direktor des Zentrums für Berufungspastoral (ZfB), Michael Maas, das bereits das Valerie-Projekt verantwortet hatte.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Giesbers war nach eigenen Angaben zunächst skeptisch, als ihn eine Kölner Agentur für das Projekt anfragte: "Ich dachte erst, dass ich für die Aufgabe Expertenwissen brauche, aber als sie mir sagten, dass es am besten wäre, mit wenigen Vorkenntnissen an die Sache ranzugehen, wusste ich, dass ich da hin passe," erzählt er gegenüber katholisch.de. Der gebürtige Cuxhavener sagt, er sei zwar "getauft, konfirmiert und habe im Religionsunterricht aufgepasst", glaube aber nicht und sehe sich Kirchen nur auf Reisen von innen an, weil sie für ihn ein kulturstiftendes Gut darstellten.
Die Kirchenferne des jungen Journalisten erinnert zwar an das erste Projekt, aber ansonsten will "Gott im Abseits" andere Akzente setzen. Der wichtigste Unterschied ist wohl die zeitliche Begrenzung: Jede Staffel dauert drei Monate und nicht mehr ein Jahr. Außerdem muss sich Giesbers nicht immer wieder beim Morgenmagazin und den anderen WDR-Formaten, für die er arbeitet, frei nehmen sondern hat seine Zeit mit den "Missionsärztlichen Schwestern" bereits verbracht. Eine Woche lebte er im Gästezimmer der Frankfurter Kommunität, einer Art WG im Stadtteil Bornheim, und begleitete die 39-jährige Schwester Karin.
"Bei Sozialarbeitern hört der Tag irgendwann auf, bei diesen Schwestern nicht"
Die Woche hatte es in sich: Sr. Karin nahm den 24-Jährigen mit zur Sprechstunde der Straßenambulanz für kranke Wohnungslose, er war dabei als sie mit Hilfe von Dolmetschern Flüchtlinge zum Thema Gesundheitsversorgung beriet und eines nachts fuhr Giesbers im Ambulanzbus mit, mit dem die Schwestern Obdachlose besuchen und betreuen. Damit es nicht nur bei der journalistischen Begleitung während der sozialen Aufgaben der Schwestern geht, war ein Abend für Gespräche reserviert, an denen Giesbers die Kommunität mit seinen Fragen gelöchert habe, berichtet Knötig.
Giesbers bekennt: "Ich war am Ende der Woche erschöpft – von der langen Arbeit und von den vielen traurigen Schicksalen". Bei den Schwestern habe er aber gesehen, wie sie sich immer wieder mit Verweis auf den Glauben und den Auftrag Gottes für die Aufgabe motivierten, für Bedürftige da zu sein. "Bei Sozialarbeitern hört der Tag irgendwann auf, bei diesen Schwestern nicht – sie nehmen ihre Sozialarbeit mit in ihr Gebet und in ihre Gespräche beim Abendessen und sie brechen oft auch nachts auf, um Menschen zu helfen."
Eindrücke hat er viele mitgenommen. "Die katholische Kirche ist mehr als der Papst und die alten Kardinäle, die sich zu manchen gesellschaftlichen Themen äußert, als wären wir noch im 16. Jahrhundert." Beeindruckt habe ihn die Vielfalt der Menschen, die ihren Glauben anders leben als nach dem Bild, das er und seine Freunde von den Kardinälen und von offiziellen kirchlichen Verlautbarungen mitbekämen. Er habe gelernt, dass Jesus eine für seine Zeit fortschrittliche Einstellung zu Frauen hatte und auf damalige Randgruppen zugegangen sei, wie nun auch die Schwestern auf heutige Randgruppen zugingen.
Linktipp: Gott im Abseits
Ab dem 16. August 2017 berichten junge und meist kirchenferne Journalisten auf "Gott im Abseits" über das Leben und die Arbeit von Seelsorgern an ungewöhnlichen Orten. Dazu wurde der Blog und die Social-Media-Kanäle von "Valerie und der Priester" übernommen, bei dem eine junge Journalistin zwölf Monate lang einen Priester begleitete.Geplant sind nun zwölf Kapitel, also jede Woche ein neuer Inhalt von Giesbers, unter dem Motto "Gott am Straßenrand". Und wie beim Vorgängerprojekt sind auch die User gefragt. Es sei Teil des Projekts, Fragen der Leser, die auftauchen, auch aufzugreifen, erzählt Giesbers, der sich auch selbst in die Diskussionen mit einklinken will. Ab November soll es dann mit einem anderen Thema weitergehen. ZfB-Leiter Maas steht dazu bereits mit zwei möglichen Protagonisten in Kontakt. Geplante Themenfelder seien die Arbeit mit Drogenabhängigen, Prostituierten, im Gefängnis oder mit Seelsorgern bei Militäreinsätzen der Bundeswehr.
Kirche will Leser zu Gesprächen über das Christsein im Alltag anregen
Maas erhofft sich von dem Projekt, dass die Zielgruppe – bei "Valerie und der Priester" hätten hauptsächlich 18- bis 35-Jährige auf die Artikel geklickt – erhalten bleibt und "dass die interessanten Persönlichkeiten, die von ihrer Berufung erzählen, die Frage nach der Berufung weitertransportieren".
Schön wäre für den Priester auch, wenn die Texte generell Anregungen zu Gesprächen und Gedanken darüber geben würden, was es bedeutet, als Christ zu leben und wie man selbst Kirche und Glauben leben und gestalten kann. "Außerdem werden sich hier wie bei Valerie und Franziskus verschiedene Welten begegnen und da freue ich mich darauf, die bestimmt spannenden Diskussionen zu lesen." Auch Schwester Karin freut sich, dass mit der Fortführung des Projekts der Fokus auf Orden gelenkt wird und auf die Arbeit der Kirche an den Rändern der Gesellschaft. Sie antwortet gerne darauf, was sie antreibt, diese Arbeit zu machen – auch wenn sie das anfangs nicht einfach fand: "Ich muss versuchen, verständlich etwas zu beschreiben, was sich nicht leicht erklären lässt: Wie Gott ins Spiel kommt und mir Kraft gibt."