Bayerischer Märtyrer in Äthiopien
Sein Vater Iyasu I. hatte die Missionare eingeladen - nun wurde ihnen als "Staatsfeinden" der Prozess gemacht: Vor 300 Jahren, am 3. März 1716, wurden die franziskanischen Märtyrer um Liberat Weiß unter einem Berg von Steinen der wütenden Menge begraben.
Lobgesänge in der letzten Nacht
Ihre letzte Nacht verbrachten Liberat und seine Freunde mit Lobgesängen auf den dreifaltigen Gott. Was sie ihr Leben kosten sollte war das rechte Verständnis von Glaubenswahrheit und der Wesenheit des Gottessohns: War das Dogma von der menschlichen und der göttlichen Natur in der einen Person des gekreuzigten und auferstandenen Christus orthodox - wie die Väter des ökumenischen Konzils von Chalkedon 451 das Mysterium umschrieben hatten? Oder galt die Lehrtradition der äthiopischen Kirche, dass in Christus nur die eine göttliche Natur des fleischgewordenen Wortes sei. Für die Franziskaner galt allein das ökumenische Konzil.
Johannes Laurentius Weiß wurde am 4. Januar 1675 in Konnersreuth geboren. Nach dem Besuch der Stiftsschule in Waldsassen trat er unter dem Namen Liberatus - der in Christus Befreite - den Minoriten der österreichischen Ordensprovinz bei. Volksmissionare aus Wien hatten zuvor in Konnersreuth gepredigt und den Jungen für die Nachfolge des heiligen Franz begeistert. Der junge Pater war ein feuriger Kanzelredner, zuletzt in Graz. Als sein Orden Missionare für Äthiopien suchte, meldete sich der Oberpfälzer in Rom. Vielleicht hatte ihn der optimistische Bericht des bayerischen Ordensbruders und Arztes Theodor Krump inspiriert, der gerade aus Äthiopien heimgekehrt war.
Auch Liberat erwarb medizinische Grundkenntnisse und reiste nach Kairo. Im Januar 1705 zog er mit Ordensbrüdern nilaufwärts. Endlich kamen zehn Franziskaner nach Sennar am Weißen Nil im Sudan. Der Ort stand unter dem Schock einer Bluttat, die bis nach Versailles Wellen schlug: Der Gesandte König Ludwigs XIV., der diplomatische Beziehungen mit dem Kaiser von Äthiopien anknüpfen sollte, war mit seiner vielköpfigen Begleitung trotz der Zusicherung freien Geleits getötet worden. Der für den Mord verantwortliche König Bade hielt auch Liberat und seine Begleiter fest, um sie als hungernde Arbeitssklaven auszubeuten. Der Machthaber schätzte dabei die medizinischen Kenntnisse der Europäer. Doch nur drei von zehn Missionaren überlebten die harte Zeit.
Aufbau eines Hospizes
Erst im Juni 1710 durften sich die verbliebenen Minoriten einer Karawane anschließen. Völlig entkräftet gelangten sie nach Oberägypten. Liberat erstattete in Rom Bericht über das Misslingen der Mission. Dort wurde entschieden, dass er dennoch mit zwei Gefährten weiter nach Äthiopien reisen solle. Im Juli 1712 kamen die Missionare auf dem Seeweg in der Hauptstadt Gondar an. Auf dem äthiopischen Thron saß aber nicht mehr der mächtige Iyasu (1682-1706), der an der Gemeinschaft mit Rom und einem Bündnis mit europäischen Mächten interessiert war, sondern ein schwacher Usurpator der Kaiserrechte.
Den Missionaren wurde erlaubt, im Stillen zu wirken. Liberat beherrschte bald die Landessprache; gemeinsam mit seinen Mitbrüdern baute er unter großen Opfern ein Hospiz auf. Die selbstlose Krankenpflege fand dankbare Anerkennung, konnte aber den Hass der Gegner einer Union mit Rom nicht verhindern. Im Volk wurden böse Erinnerungen wach, wie fanatische Jesuitenpatres aus Portugal versucht hatten, den Katholizismus mit Dekreten von Kaiser Susenyos (1607-32) aufzuzwingen, der persönlich konvertiert war. Gestützt auf den Patriarchen von Alexandria hatte die äthiopische Kirche bislang ein Christentum bewahrt, das dem Judentum noch näher stand. Als Susenyos Bräuche wie das Sabbatgebot und Beschneidung verbot, kam es zur Palastrevolte; die Jesuiten wurden vertrieben.
Linktipp: Die eine, vielfältige Kirche
Die eine Kirche Christi tritt in verschiedensten Formen auf, etwa in den orthodoxen und orientalischen Kirchen. Wir erklären das katholische Verständnis von "Kirche", was das für die Ökumene bedeutet und stellen unterschiedliche Traditionen vor.Für den Franziskaner Liberat und seine Mitbrüder stellte sich die Glaubensfrage, als Kaiser David 1716 nach verhängtem Todesurteil ihre Begnadigung anbot, wenn sie sich beschneiden ließen und an der Eucharistiefeier der äthiopischen Kirche teilnähmen. Doch das kam für sie nicht in Frage.
Johannes Paul II. sprach Martyrer selig
Johannes Paul II. hat das mutige Glaubenszeugnis der Franziskaner im November 1988 anerkannt, als er die Martyrer selig sprach. Zugleich bedauerte er eine Missionspolitik, die ohne Sinn für eigene gewachsene, religiös-kulturelle Traditionen wie in Äthiopien oder China die Mission in der frühen Neuzeit zum Scheitern brachte. Der Papst beklagte "Missverständnisse" und betonte, dass sich die Kirche nach den Grundsätzen des Konzilsdekrets über den Ökumenismus "um die Zusammenarbeit mit den anderen Christen bemüht".