Bedächtig und ausgleichend
Business as usual - während er schon wusste, dass er sich wegen der Krebserkrankung seiner Frau Anne aus dem EKD-Leitungsamt zurückziehen würde. So kennt man ihn: Ein Mann, der Verantwortung übernimmt, wenn er gefragt ist, ohne seine Person dabei in den Mittelpunkt zu stellen. Als 2010 nach dem unvorhergesehenen Rücktritt Margot Käßmanns ein neuer Ratsvorsitzender gesucht wurde, war er zur Stelle , auch wenn seine Lebensplanung damals anders ausgesehen hatte. Nach Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren endete seine Amtszeit als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland im Frühjahr 2013. Nun zog er mit seiner Frau, mit der er seit 1970 verheiratet ist, nach Berlin, um noch bis zum Herbst 2015 das oberste Gremium der EKD zu leiten.
Anders als seine umtriebigen, manchmal polarisierenden Vorgänger Käßmann und Wolfgang Huber wirkt Schneider dabei eher bedächtig und ausgleichend. Doch er ist keineswegs konfliktscheu, weder nach außen noch nach innen. So setzte er sich etwa für eine breite Diskussion über die Präimplantationsdiagnostik (PID) ein, obwohl die Beschlusslage in der EKD für ein Verbot eigentlich seit 2003 klar war. Ausschlaggebend für Schneiders Überlegungen - mit denen er sich letztlich im Rat der EKD nicht durchsetzen konnte - waren seelsorgliche Motive.
Schneider war auch oft mit Kritik konfrontiert
Die heftigsten Reaktionen in der Amtszeit Schneiders rief jedoch im vergangenen Sommer eine "Orientierungshilfe" des Rates zur Familienpolitik hervor, die von vielen als Relativierung der Ehe verstanden und wegen ihrer dürftigen theologischen Begründung kritisiert wurde. Schneider räumte Fehler ein, lieferte bei der folgenden EKD-Synode in Düsseldorf theologische Argumente nach und verteidigte mit Nachdruck die sozialpolitische Intention des Papiers.
Eine weitere Diskussion in diesem Themenfeld traute sich der Rat offenbar nicht zu und stoppte eine länger geplante Denkschrift zur Sexualethik. Auch für seine jüngste Veröffentlichung zum bevorstehenden Reformationsjubiläum musste der Rat Kritik einstecken - sowohl von Historikern als auch von Ökumene-Experten.
Vertreter einer "Ökumene der Gaben"
Dabei gehört Schneider nicht zu denen, die einer "Ökumene der Profile" das Wort reden. Vielmehr vertritt er eine "Ökumene der Gaben", bei der die unterschiedlichen Kirchen ihre jeweiligen Stärken in die Christenheit einbringen und voneinander lernen. Sein Verhältnis zu seinen jeweiligen katholischen Partnern war immer von Offenheit und Freundschaft geprägt.
Persönlich setzte er sich dafür ein, dass Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch in Deutschland 2011 in das Augustinerkloster in Erfurt als für den Reformator Martin Luther prägenden Ort kam. Auch der interreligiöse Dialog, besonders mit den Juden, war ihm ein wichtiges Anliegen. Im Verhältnis zu den Muslimen bereinigte er die frostige Atmosphäre, indem er die Spitzenvertreter des Koordinierungsrates der Muslime zu sich nach Hause zum Abendessen einlud.
Schneider ist auch in seinen leitenden Ämtern immer Pfarrer geblieben. Besonders geprägt hat ihn Kampf an der Seite der Belegschaft in seiner 1977 angetretenen ersten Gemeindepfarrstelle in Duisburg-Rheinhausen um den Erhalt der dortigen Hütte. Zu seiner Glaubwürdigkeit trägt auch sein Umgang mit eigenen Lebenskrisen wie dem Tod der jüngsten seiner drei Töchter 2005 im Alter von 22 Jahren bei. Zusammen mit seiner Frau Anne verarbeitete er diese schmerzlichen Erfahrungen in einem Buch mit dem Titel: "Wenn das Leid, das wir tragen, den Weg uns weist". Nun will er seiner an Krebs erkrankten Frau für den weiteren gemeinsamen Weg "alle Zeit widmen".
Von Norbert Zonker (KNA)