Benedikts "Alter Ego"
Allerdings verliert Bertone mit diesem Datum nicht alle seine Aufgaben. Zwar erlischt seine Mitgliedschaft in etlichen Vatikanbehörden, etwa in der Glaubens-, der Bischofs- oder der Missionskongregation, ebenso wie in der Kardinalskommission für die Vatikanbank IOR. Doch der fußballbegeisterte Kirchenmann ist und bleibt Camerlengo der Kirche. Für dieses Ehrenamt, das vor allem während einer Sedisvakanz nach dem Tod oder Rücktritt eines Papstes von höchster Bedeutung ist, gelten nicht die vatikanischen Altersgrenzen.
Der Salesianer kam als Außenseiter in das Amt des Staatssekretärs. Ein Jahr nach seinem Dienstbeginn machte Benedikt XVI. den am 2. Dezember 1934 in Romano Canavese als fünftes von acht Kindern geborenen Bertone zu seinem "Alter Ego". Der Papst hatte den profilierten Theologen und Kirchenrechtler in der langjährigen engen Zusammenarbeit in der Glaubenskongregation schätzen gelernt, bevor Bertone als Kardinal nach Genua ging. Doch anders als seine vatikanischen Vorgänger verfügte Bertone kaum über diplomatische Erfahrungen. Zudem hatte er an der Kurie keine eigene Hausmacht, keine Seilschaft von Vertrauensleuten.
Knirschen im Vatikanapparat
Als nachteilig erwies sich zudem, dass der Kardinalstaatssekretär anfangs häufig im Auftrag des Papstes Auslandsreisen unternahm und damit in der Schaltzentrale des Vatikan fehlte. Und so knirschte es mehr als einmal im Vatikanapparat. Das zeigte sich etwa bei der Affäre um den Holocaustleugner Richard Williamson , der vom Papst zusammen mit drei Traditionalisten-Bischöfen teilrehabilitiert wurde. Hier fehlte vatikanische Koordination - ebenso wie im Umgang mit der "Vatileaks-Affäre" .
Die diplomatische Bilanz Bertones kann sich dennoch sehen lassen. Denn auch wenn Benedikt XVI. den Schwerpunkt seines Pontifikates weniger im politischen Bereich sah als sein Vorgänger, hat er hier doch deutliche Akzente gesetzt. Zehn weitere Staaten nahmen diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl auf, darunter die Russische Föderation.
Enge Verbundenheit zwischen Benedikt und Bertone
Die Gespräche mit Vietnam gingen vielversprechend weiter, mit der Volksrepublik China kam es zu neuen Kontakten. Zu den politischen Höhepunkten des Pontifikates zählten die Rede des Papstes vor den Vereinten Nationen und seine vielbeachteten Ansprachen bei Auslandsreisen in London, Wien, Berlin oder Prag zu aktuellen Fragen der globalisierten Welt. Zu den thematischen Schwerpunkten der von Bertone mitgetragenen Agenda gehörte die Lage der Christen im Nahen Osten. Zudem konnte der Vatikan das Thema Religionsfreiheit stärker international nach vorn bringen.
Deshalb hielt Benedikt XVI. an seinem Vertrauten fest, auch als die Kritik deutlicher wurde. Mehrfach dankte er Bertone öffentlich für dessen treue Verbundenheit und den klugen Rat. Papst Franziskus ließ ein halbes Jahr verstreichen, bis er schließlich den deutlich jüngeren Pietro Parolin an die Spitze des Staatssekretariates berief.
Diskussion um den Altersruhesitz
Im April sorgte Bertone nochmals für Schlagzeilen: wegen seines Altersruhesitzes . Italienische Medien ermittelten, dass er dafür zwei Wohnungen mit insgesamt 600 Quadratmetern zusammenlegen lasse - im Pontifikat der "neuen Bescheidenheit". Bei näheren Recherchen halbierte sich die Fläche. Zudem befindet sich das Appartement in einer weniger repräsentativen Immobilie gegenüber der vatikanischen Tankstelle.
Die mit der Renovierung beauftragte Baufirma musste inzwischen Konkurs anmelden. Und so wird Bertone auch zum 80. Geburtstag noch die Diensträume des Staatssekretärs im Apostolischen Palast bewohnen. Wann Parolin sie übernehmen kann, ist derzeit noch nicht absehbar.
Von Johannes Schidelko (KNA)