Christen gehen überall in Deutschland Karfreitagskreuzwege

Bischöfe rufen zu Mut und Mitgefühl auf

Veröffentlicht am 25.03.2016 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 
Karfreitag

Bonn ‐ Im Schatten der Terroranschläge von Brüssel haben Christen in Deutschland bei ungemütlichem Wetter den Karfreitag begangen. Die Bischöfe riefen die Gläubigen in ihren Predigten zu Mut und Mitgefühl auf.

  • Teilen:

An der Stadtgrenze zwischen Bottrop und Oberhausen zogen Hunderte von Christen aus dem Ruhrgebiet entlang der 15 Kreuzwegstationen auf die Berge-Halde Haniel. Die Stationen wurden von der Künstlerin und Ordensfrau Tisa von der Schulenburg, dem Oberhausener Künstler Adolf Radecki und Auszubildenden des Bergwerks Prosper-Haniel geschaffen. Sie verbinden den Leidensweg Jesu mit der Arbeitswelt der Bergleute.

Führende Vertreter der Kirchen riefen mit Blick auf die Terroranschläge zu Mut und Entschlossenheit auf. Es sei verständlich, dass die Menschen Angst hätten, sagte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bei der Karfreitagsprozession durch die Münchner Innenstadt. "Aber wenn wir zulassen würden, dass die Angst unser Leben bestimmt, dann würde der Terror siegen."

"Im Kreuz Jesu verbindet sich Gott mit allen Leidenden, unabhängig von Hautfarbe, Religion und nationaler Zugehörigkeit", betonte Marx laut vorab verbreiteter Mitteilung. Die Christen setzten daher an Karfreitag und Ostern "ein Zeichen des Lebens, der Liebe und der Verbundenheit miteinander". Jeder Mensch sei ein Kind Gottes - unabhängig von Sprache, Kultur, Herkunft und Religion.

Schick: Terrorismus hat mit Gott überhaupt nichts zu tun

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte, die Christen überließen als Nachfolger Jesu nicht der Angst das Feld, sondern seien Botschafter der Versöhnung. Die Bibel zeige Jesus als den Gekreuzigten, der sich "an die Seite all der Folteropfer der Geschichte stellt" und die Gewalt überwunden habe.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Kardinal Woelki sagte, Jesus gehe seinen Kreuzweg weiter in allen Menschen, "die Not und Leid tragen, die arm und krank sind und die wie er ungerecht verurteilt wurden". Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick bezeichnete den Terrorismus als menschenverachtend. "Er hat mit Gott überhaupt nichts zu tun, er ist geist- und herzlos", sagte er im Bamberger Dom.

Bild: ©KNA

Bereits im vergangenen Jahr nahm Hamburgs Erzbischof Stefan Heße (r.) am ökumenischen Kreuzweg in Lübeck teil.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck warnte beim 22. Kreuzweg auf der Halde Haniel vor einem neuen Nationalismus. "Nicht weniger Europa ist die Lösung", so Overbeck. "Die Lösung ist mehr Europa." Die Flüchtlingskrise zeigt nach den Worten des Bischofs "die Zerbrechlichkeit und Schwäche der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unserer westlichen Lebensweise".

Overbeck wandte sich gegen die "Fratze der Polterer und Protestierer", die andere Menschen abqualifizierten. "Die Überlegung zum Schießbefehl an den Grenzen entlarvt sich selber", sagte er unter Anspielung auf AfD-Parteisprecherin Frauke Petry. Er lobte den "humanitären Akt", mit dem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Herbst der Not der Flüchtlinge begegnet sei.

Münsters Bischof Felix Genn kritisierte den Umgang der "globalisierten Welt" mit den Tausenden von Flüchtlingen, die aus Not ihre Heimat verlassen hätten. Viele von ihnen landeten "im Mittelmeer wie in einer großen Müllhalde". Auch Jesus sei am Karfreitag "hinausgeworfen, entsorgt, wie Müll weggeworfen" worden, sagte er im Münsteraner Dom.

Lehmann: Passionsgeschichte muss für Leid sensibel machen

In Mainz sprach Kardinal Karl Lehmann ebenfalls über den Terror in jüngster Zeit, bei dem "so viele Menschen auf eine schändliche Weise, völlig unverdient und manchmal geradezu sadistisch durch Gewalt ihr Leben verlieren". Die Passionsgeschichte müsse deshalb "sensibel machen für Leid, das Menschen zugefügt wird". Dies gelte aber nicht nur für die Opfer der Attentate, "sondern auch für die heimlichen und oft verborgenen Attacken der Macht über alle Menschen".

Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann rief zu aktiver Flüchtlingshilfe auf. Die Aufforderung in Jesu Todesstunde laute vom Kreuz her: "Sieh mich in meiner größten Erniedrigung an!"

Rund 1.000 Menschen nahmen am ökumenischen Lübecker Kreuzweg teil, der als einer der ältesten Kreuzwege in Deutschland gilt. Er geht auf das 15. Jahrhundert zurück und ist 1.650 Meter lang, so lang wie die "Via Dolorosa" in Jerusalem. Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs mahnte die Unantastbarkeit der Menschenwürde an. Es sei zwar wichtig auf das Volk zu hören, aber es gebe eine Grenze, so die Bischöfin. "Wenn Menschen gequält oder verfolgt werden sollen, dann geht Menschenrecht vor Mehrheitswillen." Jesus sei "das Bild der Barmherzigkeit", sagte Hamburgs katholischer Erzbischof Stefan Heße. "Was ist barmherziger, als für die Armen und Kranken zeit seines Lebens da zu sein? Was ist barmherziger, als sein ganzes Leben für andere einzusetzen?" (bod/KNA)