Blühender Glaube in der Wüste
Frage: Herr Bischof, sie stammen aus dem Thurgau in der Schweiz - warum sind Sie seit 13 Jahren Bischof in Abu Dhabi?
Hinder: Ich bin vom Papst gesandt worden, und es war vor allem am Anfang ein Akt des Gehorsams, hierher zu kommen. Aber ich habe damals mein volles "Ja" gesagt und es nie bereut, denn ich sehe, wie sinnvoll es ist, hier den Glauben der Christen zu stärken. Ich möchte den Menschen als Hirte und Seelsorger Mut machen und sie stärken, wenn sie den Weg durch die Wüste gehen im Glauben an unseren Herrn, der uns befreit hat.
Frage: Sind Sie inzwischen in Abu Dhabi zu Hause?
Hinder: Ich habe vorhin von meinem Neffen ein Foto mit wunderbar blühenden Obstbäumen im Thurgau bekommen. Ja, da bekomme ich Heimweh. Abu Dhabi ist bunt, aber doch in der Wüste. Eine Heimat im eigentlichen Sinn habe ich hier nicht gefunden. Aber ich fühle mich wohl und sicher, ich werde nicht bedroht und habe viele gute menschliche Beziehungen. Es gibt hier viele Herausforderungen, die wir nicht unmittelbar lösen können, aber die Arbeit mit den aktiven Gemeinden macht mich glücklich.
Frage: Wer sind denn die Menschen, die als Christen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Oman oder dem Jemen leben?
Hinder: Es gibt hier keine einheimischen Christen, sondern christliche Migranten. Sehr viele kommen aus Asien, etwa aus Indien, Pakistan oder von den Philippinen, insgesamt sind es aber Menschen aus der ganzen Welt. Hier gehören Christen aus über 100 Ländern zu unseren Gemeinden. Da ist dann natürlich auch die Pastoral eine besondere Herausforderung.
Linktipp: Die Kirche bietet Heimat in der Fremde
Acht Tage lang hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick die Arabische Halbinsel bereist. Im Interview mit katholisch.de berichtet er von der Situation der Christen vor Ort, Fortschritten im Dialog mit dem Islam und der Lage der Menschenrechte in Katar.Frage: In welcher Sprache feiern Sie Gottesdienst?
Hinder: Die lingua franca ist Englisch, aber wir haben auch Priester, die Gottesdienste auf Arabisch feiern für Christen, die unter anderem aus dem Libanon, Iran, Syrien und Palästina kommen; oder aber in der philippinischen Sprache Tagalog oder dem in Indien beheimateten Tamilisch und vielen andere Sprachen. Auch in den großen europäischen Sprachen gibt es Gottesdienste, etwa auf Französisch oder Italienisch. Es gibt auch einige deutschsprachige Messen.
Frage: Wie halten Sie eine so internationale Gemeinde zusammen?
Hinder: Die meisten verstehen zumindest "basic english". Viele Gläubige schätzen es sehr, in einer so zusammengewürfelten Gemeinde zu sein. Andere suchen den vertrauteren Rahmen ihrer jeweiligen Kultur und Sprache. Wir versuchen ganz bewusst, dass auch diese Gläubigen immer wieder an größeren englischsprachigen Gottesdiensten teilnehmen und so wenigstens von Zeit zu Zeit das Erlebnis einer umfassenden Katholizität haben. Das kirchliche Leben auch hier im arabischen Raum ist immer im Fluss, es gibt kein fertiges Modell.
Frage: Dieses Modell ist auch stark abhängig von den staatlichen Rahmenbedingungen. Wie ist Ihr Verhältnis zu staatlichen Akteuren?
Hinder: Ich werde als Bischof durchaus als Gesprächspartner wahrgenommen, es gibt auch interreligiöse Veranstaltungen, zu denen ich eingeladen werde. Ich sehe in den Jahren, seit ich hier bin, eine vorsichtige Öffnung. So kam etwa vergangenes Jahr ein Emir zu einer Kircheneröffnung in einer Vorstadt von Abu Dhabi und hielt eine Ansprache. Ich sehe das als ein Wohlwollen gegenüber den christlichen Ausländern und ein Anerkennen des Beitrags, den sie zum Aufbau der Länder hier leisten. Mit einzelnen Imamen ist es manchmal kommunikativ schwierig, denn ich spreche nicht sehr gut Arabisch und sie sprechen oft kein Englisch. Die Scheichs hingegen haben meist eine Ausbildung in einem westlichen Land genossen und sprechen in der Regel recht gut Englisch. Mit ihnen muss ich verhandeln, wenn es um Kirchenbauten geht oder um die Frage, ob wir eine Schule eröffnen können. Das funktioniert im Allgemeinen gut. Es braucht nur manchmal etwas Geduld. So habe ich mit dem Emir von Ra's al-Chaima gesprochen und er hat mir zugesagt: Ich gebe euch ein Stück Land, wo ihr eure Schule bauen könnt.
Frage: Es gibt christliche Kirchen und Schulen in arabischen Ländern? Wie frei sind die Christen denn, ihre Religion auszuüben?
Hinder: In den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Oman gibt es in den uns zugewiesenen Orten keine Schwierigkeiten, innerhalb des Kirchenareals können wir unsere Religion frei ausüben. Außerhalb der Kirchenareale allerdings braucht es eine spezielle Erlaubnis, Gottesdienst zu feiern - oder wir tun es auf eigenes Risiko, möglichst in einem Privathaus. Im Kriegsgebiet des Jemen ist es natürlich anders. Dort ist kein reguläres Leben mehr möglich.
Frage: Wo sind Ihre Grenzen?
Hinder: Es gibt keine individuelle Religionsfreiheit und es wäre strafbar, wenn wir Muslime missionieren wollten. Wir können aber durchaus ungetaufte Nicht-Muslime in die Kirche aufnehmen. Ich hatte dieses Jahr 20 Erwachsenentaufen in der Osterliturgie, das sind aber nie Konvertiten aus dem Islam. In der Regel sind es Menschen, die vorher beispielsweise Hindus waren. Manchmal finden auch ungetaufte Europäer in Arabien zum christlichen Glauben. Ich erfahre hier einen aufblühenden Glauben. Viele praktizieren ihren Glauben sehr aktiv. Ich führe das teilweise darauf zurück, dass die Kirche in der Fremde eine Heimat bietet, die man sonst verloren hat.
Frage: Blüht der christliche Glaube vielleicht auch gerade deshalb auf, weil er in einer islamischen Umgebung ist?
Hinder: Ja, auch von dem Aspekt der Beheimatung abgesehen, sehe ich, wie viele Menschen aus tiefer Überzeugung ihren Glauben leben, vielleicht gerade auch in Konfrontation mit einem nicht-christlichen Umfeld. Ich habe vor wenigen Tagen einen Pastoralbesuch in Schardscha gemacht, das ist ein Nachbaremirat von Dubai. Tausende Menschen sind dort übers Wochenende in die Kirchen geströmt. Ich habe allein am Freitag 15-mal im Gottesdienst zu den Leuten gesprochen, am Samstag und am Sonntag noch viele weitere Male. Die Kirchen waren immer voll. Doch auch während der Woche praktizieren die Gläubigen ihren Glauben, sie besuchen die Arbeitersiedlungen und gehen in die Gefängnisse - viele verstehen ihr Christsein auch als Aufgabe zum sozialen Engagement.
Frage: In Europa schüren manche die Angst vor einer angeblichen "Islamisierung des Abendlands", was halten Sie davon?
Hinder: Es ist nicht neu, dass Menschen Angst haben vor Flüchtlingen. Neu ist, dass momentan viele - aber bei weitem nicht alle - Flüchtlinge, die nach Europa kommen, Muslime sind. Ich denke, dass viele der Flüchtlinge ihre Religion nicht viel mehr praktizieren, als Menschen im Westen das Christentum. Die Gefahr für Europa geht nicht vom Islam aus, das Problem ist eher eine gewisse Überzeugungsschwäche der Europäer selbst. Wenn man selbst nicht mehr glaubt, hat man Angst vor dem Glauben der anderen.