Katholisch.de analysiert die Wahlprogramme

Das sagen die Parteien zur Religionspolitik

Veröffentlicht am 20.09.2017 um 13:50 Uhr – Lesedauer: 
Bundestagswahl 2017

Bonn ‐ Religionspolitik heißt im Wahljahr 2017 vor allem: Wie hältst du's mit dem Islam? Am Rande geht es dann aber auch noch um die beiden großen Kirchen in Deutschland.

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Am 24. September sind über 60 Millionen Deutsche aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Jeder Wähler hat dabei ganz eigene Fragen, die für seine Entscheidung maßgeblich sind. Für manchen steht die Arbeitsmarktpolitik im Vordergrund, für andere Familienpolitik oder der Umweltschutz.

Katholisch.de hat die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Linken, Grünen, FDP und AfD analysiert. Dabei ging es um sieben Themenbereiche, die für die Kirche eine besondere Rolle spielen. Welche Ziele und Forderungen haben die Parteien hier? Und welche die Kirche selbst? Um das zu erfahren, hat katholisch.de zusätzlich je ein Hilfswerk oder einen Verband um die "katholische Stimme" zum jeweiligen Politikbereich gebeten. Der siebte und letzte Teil 7 der Serie behandelt das Thema Religionspolitik.

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CDU/CSU - Christlich Demokratische Union/Christlich Soziale Union

Die Unionsparteien beginnen ihr "Regierungsprogramm" mit einem Bekenntnis zum christlichen Menschenbild, "in dem der Mensch im Mittelpunkt steht und die Würde des Menschen unantastbar ist." Sie betonen in ihrem Programm immer wieder den Beitrag der Christen zum Gemeinwesen und die Bedeutung des Christentums für die deutsche Kultur und Werteordnung.

Im Abschnitt über "Christliche Kirchen und Religionsgemeinschaften" wird die Bedeutung von Religionsfreiheit und die Trennung von Staat und Religion betont. Gleichzeitig haben für die Union aber "religiöser Glaube, Kirchen und Religionsgemeinschaften" ihren "festen Platz" in der Gesellschaft. Der Beitrag der christlichen Kirchen zur Gesellschaft wird gewürdigt, der Einsatz für jüdisches Leben in Deutschland betont. Vor allem für ihre Beiträge im Bereich Bildung, Soziales und Kultur werden die Religionen gewürdigt. Der Einsatz für verfolgte und bedrängte Christen sei ein besonderes Anliegen der CDU und CSU. Man wolle einen "Sonderbeauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit" berufen.

Der "friedliche und integrationsbereite" Islam solle sich so organisieren, "dass er Verhandlungs- und Dialogpartner von Staat und Gesellschaft sein kann". Gleichzeitig erteilen die Unionsparteien "gemeinsam mit allen friedliebenden Muslimen" einem "Missbrauch des Islam für Hass, Gewalt, Terrorismus und Unterdrückung" eine Absage. Moscheen, in denen entsprechend gepredigt wird, sollten geschlossen werden, Hassprediger "mit der Härte des Gesetzes" verfolgt und, sofern sie keine Deutschen sind, abgeschoben werden.

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SPD - Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Religion taucht im "Regierungsprogramm" der SPD im Wesentlichen in Aufzählungen auf: persönliche Religiosität als ein Merkmal, wegen dem man nicht diskriminieren darf; die Kirchen und Religionsgemeinschaften in diversen Aufzählungen von Akteuren des Gemeinwesens neben Gewerkschaften, Vereinen und Museen. Religionsgemeinschaften werden wegen des Engagements für das Gemeinwesen und die Kultur sowie als Bündnispartner bei verschiedenen Projekten geschätzt; in der Wohlfahrtspflege leisteten sie "unverzichtbare Arbeit".

Im Bereich Integration betonen die Sozialdemokraten den Stellenwert von interreligiösem Dialog und Wissen über Religion und Kultur zur Extremismusbekämpfung. Islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache wird befürwortet "auch aus präventiven Gründen." Religionslehrer und Imame sollen in Deutschland ausgebildet werden. "Muslime und der Islam sind Teil unseres Landes", betont das Programm und sichert Gemeinden und Organisationen Unterstützung zu, "wenn sie sich in Deutschland nach deutschem Recht gründen und wenn sie die freiheitliche demokratische Grundordnung achten." Im Abschnitt über Terrorabwehr wird gegenüber "Hasspredigern und Islamistinnen und Islamisten" eine "Null-Toleranz-Politik" angekündigt, extremistische Moscheen sollen geschlossen werden. Wer dagegen die freiheitliche demokratische Grundordnung achtet, soll auch am "bewährten" deutschen Religionsverfassungsrecht teilhaben können. Über die Bezeichnung als "bewährt" hinaus gibt es keine Aussagen zu einer Bewertung oder Weiterentwicklung der rechtlichen Regelung des Staat-Kirche-Verhältnisses.

Im Verhältnis zum Judentum betont die SPD mehrfach, Antisemitismus nicht dulden zu wollen, Sicherheitsbehörden müssen sensibel für entsprechendes Gedankengut in den eigenen Reihen sein. Erinnerungskultur wird als "zentrale Aufgabe einer offenen und modernen Gesellschaft" bezeichnet.

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Die Linke

Die Linkspartei hat einen eigenen Abschnitt zur Religionspolitik: "Wir verteidigen die Freiheit zur und von der Religion und die Trennung von Staat und Kirche" lautet die programmatische Überschrift. Betont wird darin die "institutionelle Trennung" von Staat und Kirche. Einzelne Gläubige sollen ihre Religion auch öffentlich ausüben dürfen. Verbote "religiös motivierter Bekleidung" werden abgelehnt, auch Arbeitnehmern sollen keine Nachteile deswegen entstehen; es sollen Beratungs- und Hilfseinrichtungen geschaffen werden, die Menschen unterstützen, die aus religiösen Gründen oder wegen ihrer Religionsausübung diskriminiert werden. Explizit soll "jede und jeder die Badebekleidung tragen, die beliebt." Bauverbote für Sakralbauten lehnt die Partei ab.

Die Partei unterstützt Kirchen und Gewerkschaften in ihrem "Kampf für den erwerbsarbeitfreien Sonntag" und fordert jüdische und muslimische staatlich geschützte Feiertage. In der Bildungspolitik fordert die Linke einen übergreifenden Ethikunterricht; die Möglichkeit zu bekenntnisorientiertem Religionsunterricht soll allen Religionsgemeinschaften offen stehen.

Militärseelsorge und ihre staatliche Finanzierung wird abgelehnt – sie entspreche "nicht dem verfassungsmäßig gegebenen Recht auf Religionsfreiheit und ist auch innerhalb der Kirchen umstritten." Anstelle der bisherigen Strukturen sollen Verträge treten, "die eine religiöse Betreuung durch alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und eine freie Religionsausübung der Angehörigen der Bundeswehr" garantieren.

Die Staatsleistungen sollen abgelöst werden, die Kirchen ihre Mitgliedsbeiträge selbst erheben und damit die Kirchensteuer abgeschafft werden. Der Kirchenaustritt soll kostenfrei sein. Das Streikrecht und betriebliche Mitbestimmungsrechte in kirchlichen Arbeitsverhältnissen sollen uneingeschränkt gelten, ebenso wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Besondere Loyalitätsobliegenheiten von kirchlichen Mitarbeitern, deren Missachtung zur Kündigung führt, werden abgelehnt.

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Grüne - Bündnis 90/Die Grünen

Im umfangreichen Wahlprogramm der Grünen betont die Partei die Religions- und Weltanschauungsfreiheit aller, auch der Bekenntnislosen, ebenso wie die Freiheit von Kunst und Satire, sich kritisch mit Religion auseinanderzusetzen. Der "Blasphemie-Paragraph" 166 solle abgeschafft werden.

Die Grünen wollen angesichts der steigenden Zahl der nicht religiös gebundenen Menschen in Deutschland "etwa in der Wohlfahrtspflege oder der öffentlichen Gedenk- und Trauerkultur" den Belangen der Bekenntnislosen gerecht werden. Die Partei betont die staatliche Neutralität allen Religionsgemeinschaften gegenüber.

Die historisch gewachsenen Staatsleistungen sollen abgelöst werden, Kirchenfinanzen transparenter gestaltet und der Kirchensteuereinzug reformiert werden, um Gleichbehandlung und Datenschutz zu verbessen. Kirchliche Beschäftigte sollen künftig Streikrecht haben, persönliche Loyalitätsobliegenheiten "außerhalb des religiösen Verkündigungsbereiches" werden als "unverhältnismäßig" abgelehnt.

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften werden für ihr Potential gewürdigt, "eine wichtige Stütze einer lebendigen Demokratie" zu sein; das Engagement von Gläubigen wird geschätzt. Der Islam gehört für die Grünen zu Deutschland ("wie alle anderen Religionen und Weltanschauungen"), gleichzeitig soll "nicht leichtfertig" mit islamischen politischen Organisationen umgegangen werden. Religionslehrer und Imame sollen an deutschen Universitäten ausgebildet werden, die Anerkennung von islamischen Religionsgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaften grundsätzlich möglich sein. Die bestehenden vier großen muslimischen Verbände erfüllen die nötigen Voraussetzungen jedoch nach Ansicht der Grünen nicht. Eine Steuerung muslimischer Verbände aus dem Ausland wird abgelehnt.

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FDP - Freie Demokratische Partei

Die FDP hat in ihrem Wahlprogramm einen eigenen Abschnitt zur Religionspolitik. Die Partei betont die  Religionsfreiheit und die "Gleichbehandlung von Kirchen-, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften". Ein generelles Verbot der freiwilligen Verschleierung wird abgelehnt, "soweit dies nicht, etwa in öffentlichen Einrichtungen, im Einzelfall zur Identifizierung der Personalien oder nach dem Versammlungsrecht notwendig ist"; private Zwänge, Kopftuch zu tragen, sollen konsequenter verfolgt werden. Betont wird das Grundgesetz als Maßschnur. "Wo das Grundgesetz als objektive Werteordnung unserer Gesellschaft missachtet und Gesetze verletzt werden, enden Toleranz und Respekt." Einflussnahme durch Finanzierung aus dem Ausland – genannt werden Türkei und Saudi-Arabien – lehnen die Freien Demokraten ab.

Religion allgemein wird im Kontext des Schutzes vor Diskriminierung erwähnt und die Freiheit auch der Angehörigen von Minderheiten betont: "In unserer Republik haben gruppenbezogene Menschenanfeindungen wie Antisemitismus und Islamfeindlichkeit keinen Platz." Außerdem wird Wert darauf gelegt, dass die Bekenntnisfreiheit auch atheistische und agnostische Positionen schützt und ein satirischer Umgang mit Religion zulässig sein muss. Der "Blasphemie-Paragraph" 166 gilt der FDP als "überflüssig" und soll abgeschafft werden.

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AfD - Alternative für Deutschland

Religionspolitik bedeutet für die AfD vor allem eine Auseinandersetzung mit dem Islam. Die Partei widmet dieser Religion ein eigenes Kapitel: "Der Islam im Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung", das programmatisch mit der Aussage beginnt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Die Partei sieht die der "Ausbreitung des Islam und der Präsenz von über 5 Millionen Muslimen, deren Zahl ständig wächst [...] eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung."

"Parallelgesellschaften", in denen "muslimische 'Friedensrichter' Rechtsvorschriften der Scharia anwenden", sollen unterbunden werden. Zwar bekennt sich die Partei explizit zur Religionsfreiheit, betont aber gleichzeitig Schranken durch "staatliche Gesetze, die Menschenrechte und unsere Werte". Verfassungsfeindlichen Vereinen soll der Bau und Betrieb von Moscheen untersagt werden, Finanzierung von Moscheebauten aus dem Ausland unterbunden werden.

Minarette und der Muezzin-Ruf werden als "religiöser Imperialismus" abgelehnt, Lehrstühle der islamischen Theologie sollen abgeschafft und in Stellen für Islamwissenschaft umgewidmet werden, islamischen Religionsunterricht soll es an staatlichen Schulen nicht geben. Islamischen Organisationen soll der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus, wie ihn die christlichen Kirchen haben, nicht zuerkannt werden, da sie die nötigen Bedingungen nicht erfüllten. Vollverschleierung soll in der Öffentlichkeit verboten werden, im öffentlichen Dienst zusätzlich auch das Tragen eines Kopftuchs. Im Kapitel zur Umweltpolitik wird zudem ein Verbot der von Juden und Muslimen praktizierten rituellen Schlachtung gefordert.

Außerdem will die AfD wieder das 2008 abgeschaffte Verbot der religiösen Voraustrauung wieder einführen; religiöse Eheschließungsrituale dürften dann erst nach einer standesamtlichen Trauung stattfinden. Dies soll auch bei der Bewertung der Gültigkeit von im Ausland geschlossenen Ehen gelten. Im Kapitel zu Steuer und Finanzen heißt es "die Bezahlung von Kirchenrepräsentanten wie Bischöfen etc. aus allgemeinen Steuermitteln ist abzuschaffen".

Von Felix Neumann
Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken bei einer Abstimmung.
Bild: ©KNA

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und Verbände sowie von Institutionen der Laienvertretung und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft.

Die Stimme der Kirche: Zentralkomitee der deutschen Katholiken

Anders als die amtierende Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD setzen sich einige Parteien sehr kritisch mit dem religionspolitischen Status Quo auseinander: So haben Bündnis 90 / Die Grünen in ihrem religionspolitischen Grundlagenpapier von 2016 zwar die Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften im Grundsatz befürwortet, aber auch an vielen Stellen deutlichen Reformbedarf angemeldet. Von ganz anderer Qualität sind die religionspolitischen Töne, die von der AfD zu vernehmen sind. Sie bestreitet, dass die Kirchen gesellschaftlichen Zusammenhalt stiften, und hielt ihnen anlässlich ihres Bundesparteitags im April 2017 vor, "durch ihre einseitigen, demokratiefeindlichen Stellungnahmen und Handlungen gegen die legitimen Positionen der AfD" jegliches Anrecht auf Unterstützung durch ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen verwirkt zu haben. Der AfD geht es also nicht um Reformen, sondern um eine religionspolitische Kehrtwende.

Wir im Zentralkomitee der deutschen Katholiken sehen im Religionsverfassungsrecht keinen Reformbedarf und würden, wo in den religionspolitischen Anwendungsfeldern Änderungen und neue Akzente angezeigt erscheinen, vielmehr von der Weiterentwicklung des bestehenden kooperativen Verhältnisses von Staat und Kirchen im Rahmen der bewährten religionspolitischen Ordnung reden. Bei der kooperativen Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften handelt es sich um eine religionsfreundliche Ordnung, die den Religionsgemeinschaften Freiräume zur Religionsausübung bietet und die den Beitrag der Religionen zum Gemeinwohl anerkennt und fördert. Ein lebendiger Ausdruck dieses Verhältnisses und einer weltzugewandten Religiosität und Frömmigkeit ist nicht zuletzt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, der repräsentative und überparteiliche Zusammenschluss der in Staat, Gesellschaft und Kirche engagierten katholischen Frauen und Männer.

In den vergangenen Jahren haben die Kirchen an Stellen, an denen die ihnen verfassungsrechtlich zustehenden Freiräume Probleme aufwarfen und gesellschaftlich immer schwieriger zu vermitteln waren, aus eigenen Kräften bewiesen, dass sie angesichts zunehmender gesellschaftlicher Pluralisierung zu Anpassungsleistungen in der Lage sind. So haben zum Beispiel die katholischen Bischöfe nach einem längeren und auch mühsamen Diskussionsprozess bundesweit die so genannten Loyalitätsobliegenheiten im kirchlichen Arbeitsrecht gelockert.

Die Kirchen können auf diesem Weg ihr Eigenes bewahren – und sie müssen dies auch, wenn sie nicht zu gesellschaftlichen Gemeinwohlagenturen werden wollen. Die Bewegungen zu Veränderung und Weiterentwicklung müssen von innen kommen und von den kirchlichen Akteuren selbst getragen werden. Sie dürfen den Kirchen nicht von außen, zum Beispiel durch staatliche Politik, aufoktroyiert werden. Es geht hier um nichts anderes als praktizierte Subsidiarität.

Von Hubert Wissing