Bundesweit mehr als 2.000 Kircheneinbrüche im Jahr

Das große Abräumen

Veröffentlicht am 26.01.2016 um 13:30 Uhr – Von Joachim Heinz (KNA) – Lesedauer: 
Das große Abräumen
Bild: © KNA
Kriminalität

Bonn  ‐ In England deckten Diebe unlängst ganze Kirchendächer ab, um das erbeutete Blei zu verkaufen. In Deutschland ist die Lage laut Experten weniger dramatisch, aber "ärgerlich": Die Behörden verzeichnen jährlich mehr als 2.000 Kircheneinbrüche.

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Dabei sind Kunstdiebstähle eher die Ausnahme, wie aus den Statistiken der Landeskriminalämter für die Jahre zwischen 2010 und 2014 hervorgeht, die die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) ausgewertet hat. Weitaus häufiger haben es die Langfinger auf den Inhalt aus Opferstöcken abgesehen, auf Geräte wie Beamer oder Laptop. Oder auf Buntmetall von Regenrinnen bis hin zu gusseisernen Türen.

Natürlich sind es die spektakulären Fälle, die für Schlagzeilen sorgen. So forderte der US-amerikanische Kunsthistoriker Jeffrey F. Hamburger in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) vor gut zwei Jahren "außergewöhnliche Maßnahmen", um das gestohlene Borghorster Stiftskreuz wiederzuerlangen. Die Täter sind inzwischen gefasst - doch die wertvolle Goldschmiedearbeit aus dem 11. Jahrhundert, die in der katholischen Nikomedes-Kirche im westfälischen Steinfurt aufbewahrt wurde, ist noch nicht wieder aufgetaucht. "Wir hoffen noch immer auf die Rückführung des Kreuzes", sagt Lutz Dettmer vom Versicherungsdienst ecclesia. Am Sitz des Unternehmens in Detmold läuft ein Teil der Schadensmeldungen aus den Gemeinden und Pfarreien zwischen Flensburg und Passau ein.

Kunst und Antiquitäten gehören eher selten zum Diebesgut

Der Eindruck des Experten deckt sich im Wesentlichen mit den Statistiken der Landeskriminalämter. Das Niveau bleibt seit Jahren stabil, Kunst und Antiquitäten gehören eher selten zum Diebesgut. Mit Blick auf die absoluten Zahlen äußert Dettmer allerdings Zweifel. Ihm kämen sie recht hoch vor. Das wiederum mag unter anderem damit zusammenhängen, dass nicht jeder Diebstahl oder Einbruchversuch den Versicherungen angezeigt wird. Und dass es unterschiedliche Definitionen bei der statistischen Erfassung der Taten durch die Behörden gibt. Die meisten sprechen von "Diebstählen unter erschwerenden Umständen, einige von "Einbrüchen in Kirchen", andere verzeichnen separat "besonders schwere Fälle des Diebstahls von Kunst und Antiquitäten".

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Die beiden großen Kirchen führen dazu kein zentrales Register. Stattdessen verweisen die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) auf die kirchlichen Versicherungsdienste wie ecclesia oder auf Bistümer und Landeskirchen. Peter Weidemann, Sprecher des Bistums Erfurt, bezeichnet die Diebstähle gegenüber der KNA als "ärgerlich", aber keineswegs alltäglich. In einem einzigen Fall zwischen 2010 und 2014 betrug die Schadenssumme demnach 5.000 Euro, "die meisten anderen Fälle lagen weit darunter".

"Den Menschen ist nichts mehr heilig"

Bleibt die Frage, warum Gotteshäuser ins Visier von Dieben geraten. "Den Menschen ist nichts mehr heilig", klagte Andreas Rossmann im Herbst 2014 in der FAZ. Ähnlich bringen es auch Experten auf den Punkt. In den jeweiligen Statistiken kann sich diese Beobachtung freilich unterschiedlich niederschlagen. Kriminalkommissar Peter Wandinger vom Bayerischen Landeskriminalamt etwa leitet aus den Zahlen für sein Bundesland ab, dass der Diebstahl von sakraler Kunst seit Jahren zurückgehe. "Während es in den 70er- und 80er-Jahren Mode war, im Treppenaufgang oder im Wohnzimmer eine Heiligenfigur zu haben, hat dieses Interesse bei der heutigen Generation heftig nachgelassen." Die Folge: "Der Markt für die Täter ist eingebrochen."

Manche Nachrichten hinterlassen freilich ein mulmiges Gefühl. Vor dem Kölner Landgericht läuft derzeit ein Prozess gegen acht mutmaßliche Salafisten. Sie sollen bei Einbrüchen in Kirchen und Schulen zwischen 2011 und 2014 fast 20.000 Euro erbeutet haben. Mit dem Geld wollten sie laut Anklage die Terrororganisation "Islamischer Staat" unterstützen. Insgesamt verursachten Kirchendiebe in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit den laut LKA-Statistiken meisten Einbrüchen, zwischen 2010 und 2014 einen Schaden von 2,5 Millionen Euro. "Peanuts" sind das sicher nicht. Und wenn ein Kunstwerk verschwindet, ist der immaterielle Verlust nicht wieder wettzumachen.

Linktipp: Englands Kirchendächer in Gefahr

Sie schlagen nachts zu und hinterlassen Schäden von vielen tausend Euro: Hoch spezialisierte Diebe stehlen englischen Kirchengemeinden buchstäblich die Dächer vom Kopf. Allein in diesem Jahr gab es schon Hunderte Fälle. Abgesehen haben es die Täter auf das wertvolle Blei.
Von Joachim Heinz (KNA)