Türmerin von Münster über ihre Arbeit und die Zeitumstellung

"Der beste Job der Welt"

Veröffentlicht am 25.10.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bistum Münster

Münster ‐ Der Wecker bestimmt das Leben eines Türmers. Dass die Uhrzeit auf dem Ziffernblatt auch stimmt, muss Martje Salje in der Nacht von Samstag auf Sonntag besonders im Blick haben, wenn die Uhren um eine Stunde zurückgestellt werden. Die 34-Jährige ist seit Januar Türmerin der Sankt-Lamberti-Kirche in Münster .

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Jeden Abend steigt Deutschlands einzige Türmerin die 298 Stufen des Turms hinauf, um den Bürgern von 21 Uhr bis Mitternacht alle halbe Stunde mit ihrem Türmerhorn zu signalisieren: Alles ist in Ordnung. Im Interview spricht Salje darüber, wie es ist, den Rhythmus der Nacht anzuzeigen.

Bild: ©Münsterview/Tronquet

Martje Salje zieht im Januar in die Turmstube 75 Meter über dem Prinzipalmarkt ein.

Frage: Frau Salje, Sie prägen mit ihren Signalen aus dem Türmerhorn den Takt der nächtlichen Stadt. Welche Bedeutung hat Zeit für Sie an einem derart historischen Arbeitsplatz wie dem Turm von Sankt-Lamberti?

Salje: Mit jeder Stufe, die ich auf meinem Weg hoch in den Turm der Kirche erklimme, werde ich ein bisschen ruhiger. Ich entkomme dem Stress und der Hektik des Alltags. Das ist ein unglaubliches Privileg. Wenn ich oben angekommen bin und auf die beleuchteten Straßen Münsters schaue, ist das schon ein erhabener Moment. Ich lausche dann den Schlägen der Kirchturmuhren und gebe um 21 Uhr das erste Mal ein Signal mit dem Türmerhorn. Dann wissen die Leute: Alles ist in Ordnung. Das wiederhole ich jede halbe Stunde bis Mitternacht. Ohne diese Taktung hätte ich das Gefühl, die Zeit stehe still.

Frage: Unterscheidet sich denn Ihr Zeitgefühl außerhalb des Turms von dem während des Tages?

Salje: Tagsüber bin ich ein aktiver Mensch und mein Alltag kann auch mal hektisch werden. Abends werde ich dann zur Türmerin. Das ist eine erholsame Zeit, aber ich muss natürlich auch wachsam sein. In dieser stressigen Zeit empfinde ich es als Privileg, auf diese Art zur Ruhe zu kommen. Es ist ein bisschen wie ein Leben im Elfenbeinturm. Es ist mir eine große Ehre, dieses traditionelle Amt weiterführen zu dürfen.

Frage: Und wie nutzen Sie die halbstündigen Pausen zwischen den Signalen, die sie von 21 Uhr bis Mitternacht in die nächtliche Stadt herunterschicken?

Salje: Ich lese sehr viel, besonders Goethe und Hölderlin haben es mir angetan. Aber ich werde auch selber künstlerisch aktiv und komponiere und vertone Gedichte, fertige Zeichnungen an. Außerdem blogge ich aus dem Turm, um die Öffentlichkeit am Leben als Türmerin über den Dächern der Stadt teilhaben zu lassen. Ich genieße das Alleinsein auf diese Weise. Einsam habe ich mich aber noch nie gefühlt. Für mich ist es immer noch der beste Job der Welt.

Frage: In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird die Uhr eine Stunde zurückgestellt. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Salje: Es ist meine erste Zeitumstellung in diese Richtung. Ich bin gespannt, wie es meine Arbeit beeinflusst. Aber in meiner Turmstube habe ich einen Wecker, der sich nach Atomzeit richtet. Es besteht also keine Gefahr, dass ich meine Signale zur falschen Zeit gebe.

Das Interview führte Maike Müller (KNA)