Der Graf
Insider mögen es geahnt haben, letztlich aber kam die Nachricht aus dem Vatikan am Freitag doch überraschend: Rupert Graf zu Stolberg, bisher Bischofsvikar für die Seelsorgsregion München, wird nun Weihbischof.
Bischofsweihe mit langer Vorgeschichte
2013 hatte Kardinal Reinhard Marx noch bewusst entschieden, für die Nachfolge des aus Altersgründen emeritierten Engelbert Siebler den Papst zunächst nicht um die Ernennung eines neuen Weihbischofs zu bitten.
Die Planungen zur Personalentwicklung in der Erzdiözese München und Freising seien noch nicht abgeschlossen, hieß es damals zur Begründung. Stolberg wurde deshalb nur im Rang eines Bischofsvikars für vorerst fünf Jahre bestellt.
Dass am Ende die Bischofsweihe stehen könnte, ließ sich vermuten. Nun hat es nicht einmal ganze drei Jahre gedauert. Der 1970 in Salzburg geborene und in Passau aufgewachsene Stolberg ist nicht der erste Graf im Erzbistum in markanter Position. Zuletzt hatte Heinrich von Soden-Fraunhofen (1920-2000) von 1972 bis 1993 eine solche Funktion inne.
Wer dem 46-Jährigen begegnet, erlebt einen zurückhaltenden, ernsten Menschen. Der Geistliche schätzt das offene Gespräch mit Jung und Alt, mit Reformgruppen innerhalb der Kirche wie mit Andersgläubigen. Im Juli war er dabei, als in München ein "Rat der Religionen" gegründet wurde. Und als im November 2015 nach den Terroranschlägen in Paris das Münchner Forum für Islam eine Kundgebung gegen Hass und Gewalt veranstaltete, mahnte Stolberg, Gewalt könne nicht mit Gewalt überwunden werden.
Die Auseinandersetzung mit dem Terror, sagte der Bischofsvikar, dürfe nicht für einen verschärften Ton in der Flüchtlingsdebatte missbraucht werden. Im Übrigen zähle Angst, die häufig zu Hass führe, nicht zu den christlichen Tugenden, "wohl aber die Hoffnung, die Zuversicht". Bei einer Großkundgebung gegen Pegida und Co. war der Graf ebenfalls aufgetreten und hatte sich gegen eine Vereinnahmung des Begriffs "Abendland" für "fremdenfeindliche Parolen" gewehrt. Das Abendland, so seine Sicht, stehe für einen "gemeinsamen Kulturraum" und für "gemeinsame Werte, die aus der christlichen Prägung Europas hervorgegangen sind".
Der christliche Glaube, so seine Überzeugung, ist ein attraktives Angebot, das sich nicht zu verstecken braucht. "Glaube soll nicht in die Enge, sondern in die Freiheit führen", betonte er einmal in einem Interview. Nach dem Abitur lockte erst einmal die große weite Welt in Form einer mexikanischen Missionsstation. Danach studierte Stolberg zunächst Medizin, bevor er zur katholischen Theologie wechselte und 1998 ins Münchner Priesterseminar eintrat. 2003 folgte die Priesterweihe in Freising.
„Glaube soll nicht in die Enge, sondern in die Freiheit führen“
Nach zwei Kaplansjahren in einer großen Münchner Pfarrei holte ihn der damalige Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, als persönlichen Sekretär. Dies blieb Stolberg unter dessen Nachfolger Marx bis 2011. Welche Aufgaben ein Bischof hat und wann etwa die bischöfliche Mitra in der Liturgie auf- oder abgesetzt wird, damit dürfte er bestens vertraut sein. Als Bischofsvikar ist er zudem bereits jetzt zuständig für Visitationen, pastorale Planung und Firmspendung in der Region München. Von seinem Vorgänger hat er die gute Tradition übernommen, an Heiligabend mit Obdachlosen im Hofbräuhaus Weihnachten zu feiern.
Stolberg ist Fan von U2
Für Bodenhaftung sorgen zwei Brüder sowie zahlreiche Nichten und Neffen, wie er einmal bekannte. Entspannung und Kraft findet der Graf in der Musik. Dabei reicht sein Geschmack von der Renaissance über die Oper bis zur Popmusik. Die Band U2, deren Sänger Bono auch sozial engagiert, hat es ihm besonders angetan. Während die Iren in einem ihrer Songs beklagen "I still haven't found what I'm looking for", bleibt zu hoffen, dass der Priester Stolberg schon fündig geworden ist. Dann kann der Weihetag am 10. Dezember auch ein "Beautiful Day" werden.