Der Hüter des Kirchenrechts wird 80 Jahre alt
An Francesco Coccopalmerio führte im Vatikan in den vergangenen Jahren kaum ein Weg vorbei, zumindest dann nicht, wenn es verbindlich wurde: Der italienische Kurienkardinal, der heute seinen 80. Geburtstag feiert und damit in den Ruhestand geht, leitete seit 2007 den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte. Diese vatikanische Behörde prüft, ob die im Vatikan erarbeiteten Erlasse und Regelungen kirchenrechtlich hieb- und stichfest sind. Alle wichtigeren Dokumente, die im Vatikan erarbeitet werden, kommen daher auf den Schreibtisch von Coccopalmerio. So sieht es zumindest das reguläre Verfahren vor.
In der Debatte über "Amoris laetitia" war Coccopalmerio einer der größten Verteidiger von Papst Franziskus. Er verfasste einen eigenen Kommentar zum umstrittenen achten Kapitel des päpstlichen Schreibens, der im Vatikanverlag erschien. Darin stützt er die Auffassung, dass nun im Einzelfall eine Zulassung von wiederverheiraten Geschiedenen zur Kommunion möglich sei. Seine Unterstützung war besonders wertvoll, weil Coccopalmerio als angesehener Kirchenrechtler und unabhängiger Geist auch in manchen konservativen Kreisen Ansehen genießt.
Coccopalmerio, am 6. März 1938 in San Giuliano Milanese südöstlich von Mailand geboren, war vor seinem Wechsel nach Rom 14 Jahre lang Weihbischof von Mailand. Zum Priester geweiht wurde er in seinem Heimaterzbistum 1962 von Mailands Erzbischof Kardinal Giovanni Battista Montini, dem späteren Papst Paul VI. (1963-1978). Nach einem Theologie-Studium in Mailand spezialisierte er sich an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom auf Kirchenrecht. 1968 wurde er mit einer Arbeit über die Teilnahme von Nichtkatholiken an katholischen Kulthandlungen promoviert.
Nach einer ersten Station in der Rechtsabteilung des Erzbistums stieg er 1985 als Pro-Generalvikar in die Leitung des Erzbistums auf. 1993 ernannte Papst Johannes Paul II. (1978-2005) ihn zum Weihbischof in Mailand; seinen akademischen Neigungen ging er seit 1981 durch eine Lehrtätigkeit an der Gregoriana nach. 2007 berief Benedikt XVI. (2005-2013) Coccopalmerio zum Präsidenten des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte.
Mit Franziskus allerdings kam auch ein Mann auf den Stuhl Petri, der es Coccopalmerio nicht immer ganz leicht machte. Denn der argentinische Papst schert sich zum einen oft um offizielle Dienstwege und greift lieber direkt auf Vertrauenspersonen aus seinem persönlichen Umfeld und externen Rat zurück. Ganz offensichtlich übergangen wurde der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte bei Franziskus' Reform der Ehenichtigkeitsverfahren im Jahr 2015, dem bislang wohl weitgehendsten einzelnen Reformprojekt. Der Papst berief Coccopalmerio lediglich ad personam in die zuständige Kommission. Doch der Norditaliener, der stets vornehm zurückhaltend auftritt und jedes Wort sorgfältig abwägt, verlor darüber öffentlich kein schlechtes Wort.
Coccopalmerio wurde 2012 von Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium berufen. Er hat wohl nicht nur einen der klangvollsten Namen in diesem Kreis. Sein Bischofsspruch, passt auch wie kaum ein anderer zu dem vatikanischen Amt, das er zuletzt bekleidete: "Der Gerechte sprießt wie die Palme" (Psalm 92).