Über die Versöhnung mit der Orthodoxie und irritierende politische Implikationen

Der orthodoxe Wunderknabe

Veröffentlicht am 14.10.2015 um 12:00 Uhr – Von Volker Resing – Lesedauer: 
Hilarion Alfejew
Bild: © KNA
Kolumne

Bonn ‐ In der Vatikan-Kolumne "Franz & Friends" geht es diese Woche um den russisch-orthodoxen Metropoliten Hilarion Alfejew, der Dauergast in Rom zu sein scheint. Will er seine Kontakte für politische Ziele nutzen?

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Der russisch-orthodoxe Metropolit Hilarion Alfejew ist Dauergast im Vatikan. Schon bei der ersten Familiensynode vor einem Jahr war er zu Besuch in Rom. Damals missbrauchte er sein Grußwort zu politischen Zwecken in Sachen Ukraine-Konflikt, diesmal ist noch nichts von ihm zu hören gewesen. Der 49-jährige Shootingstar der Moskauer Ostkirche betreibt Ökumene durch Abgrenzung und Annäherung durch Polarisation. Im Schatten des Pontifikats von Papst Franziskus verläuft die Versöhnung mit der orthodoxen Kirche auf ganz verschiedenen Wegen, doch hat sie manche irritierende politische Implikation hinzugewonnen.

Hilarion ist ein orthodoxes Wunderkind. In Moskau hat er Musik studiert und wurde Theologe und Priester. Zum Doktor der Philosophie wurde er in Oxford promoviert, in Theologie in Paris. Er habilitierte sich im Schweizer Fribourg. Wenn er heute vor der westlichen Dekadenz warnt, dann mit Ortskenntnis. Hilarion ist ein polyglotter Vertreter seiner Kirche, die stark auf ihre nationale Identität setzt. Das macht ihm Freude, auch in Rom. Frauenpriestertum und Homo-Ehe, das sind ihm die schlimmsten Übel. Als Bischöfin Margot Käßmann EKD-Ratsvorsitzende wurde, brach er vorerst die Kontakte zum deutschen Protestantismus ab. Hilarion ist heute Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchen Kyrill I. - und damit Diplomat. Ein Gipfeltreffen von Papst und Patriarch stellt er immer wieder in Aussicht. Absehbar ist es noch nicht. Manche meinen, Kyrill hätte wohl lieber Benedikt XVI. getroffen als Franziskus.

Ein Streit zwischen Moskau und Istanbul

Mitte September hatte in Rom ein Komitee zur weiteren Annäherung von Orthodoxie und katholischer Kirche getagt. Dabei sei über ein wichtiges Dokument Einigkeit erzielt worden, welches nun möglicherweise 2016 auf einer Vollversammlung der Internationalen Kommission verabschiedet werden soll. Ein Jahr vor dem Luther-Jahr. Soll da den Protestanten die Jubel-Schau gestohlen werden? Noch scheint die Ökumene in den Fängen der Theologenbürokratie zu hängen. Im kommenden Jahr findet auch das Ökumenische Konzil der Weltorthodoxie statt. Ein Jahrtausendereignis! Der ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., hatte die "Heilige und Große Synode der Orthodoxie" für 2016 angekündigt. Doch der Streit zwischen Moskau und Istanbul überschattet die Vorbereitungen. Bartholomäus I. versteht sich mit Papst Franziskus besser als mit Kyrill. Wird Rom zum Vermittler?

Auffallend war da in Rom ein besonderer Auftritt. Hilarion hat mit dem Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, ein Buch des Patriarchen Kyrill vorgestellt. Ort: Campo Santo Teutonico im Vatikan, zwischen Synodenaula und Petersdom. Warum gibt der deutsche Kardinal dem Russen solch eine prominente Bühne? Manche hat das geärgert. Manche stört, dass Hilarion in Rom so viele Freunde hat. Andere bauen auf diese Allianz. Hilarion könnte neuer Patriarch von Moskau werden - und irgendwann gibt es auch einen neuen Papst in Rom.

Christ & Welt

Diesen Text der Kolumne "Franz & Friends" publiziert katholisch.de mit freundlicher Genehmigung von "Christ & Welt", einer Beilage der Wochenzeitung "Die Zeit". "Christ & Welt" - das sind sechs Seiten, die sich auf Glaube, Geist und Gesellschaft konzentrieren, sechs Seiten mit Debatten, Reportagen und Interviews aus der Welt der Religionen. "Christ & Welt" ist im Jahr 2010 aus der traditionsreichen Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" hervorgegangen.
Von Volker Resing