Der Papst geht auf eine diplomatisch heikle Reise
Sagt er's oder sagt er's nicht - das "R"-Wort? Knapp eine Woche vor der Reise des Papstes nach Myanmar fragen sich viele: Nimmt Franziskus das Wort "Rohingya" in den Mund, wenn er birmanischen Boden betritt? Menschenrechtler fordern, der Papst solle Klartext reden. Bischöfe in Myanmar hingegen mahnen, er möge es nicht tun, da dies wütende Proteste nationalistischer Buddhisten auslösen könne.
Am Samstag war Kardinal Charles Maung Bo, Erzbischof von Rangun, beim Papst. Er bat ihn um ein privates Treffen jenseits des offiziellen Programms mit Vertretern verschiedener Religionen. Das kommt nun zustande, gleich zu Beginn der Reise am Dienstagvormittag. Dort könnten auch "Muslime aus der Provinz Rakhine" anwesend sein, sagte Kardinal Bo italienischen Medien und verwendete eine alternative Formulierung zu "Rohingya". Auf den Rat Kardinal Bos hin trifft sich Franziskus auch mit Armeegeneral Min Aung Hlaing als Vertreter des nach wie vor mächtigen Militärs - Donnerstagfrüh und ebenfalls privat.
Papst soll Rohingya treffen
Die dreieinhalb Tage in Myanmar stehen unter dem Leitwort "Liebe und Frieden", das Motto der anschließenden Visite in Bangladesch lautet "Harmonie und Frieden". Diesen Anliegen dienen eine Begegnung mit dem Obersten Rat der buddhistischen Mönche in Myanmar und ein interreligiöses Friedenstreffen - im Garten des Erzbischöflichen Palais in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Dort halten fünf Delegationen kurze Statements; Vatikanangaben zufolge soll auch eine kleine Gruppe Rohingya anwesend sein.
Hintergrund: Rohingya
Als "Rohingya" bezeichnen sich die rund eine Million Muslime in Myanmars Teilstaat Rakhine (ehemals Arakan). Etwa eine weitere Million Rohingya leben als Flüchtlinge in Nachbarländern wie Bangladesch. Sie gelten als eine der am stärksten verfolgten Minderheiten der Erde. Sie gelten im offiziellen Sprachgebrauch der Regierung von Myanmar als "Terroristen" und werden seit Monaten mit kompromissloser Härte verfolgt. Die Vereinten Nationen sprechen von einem Völkermord. Aktuelle Schätzungen gehen von 600.000 bis 900.000 Flüchtlingen allein seit Ende August 2017 aus. (kim/KNA)Eine Hauptursache für den Erfolg von Extremisten in beiden Ländern sind Armut und Ungleichheit. In Myanmar lebten 80 Prozent der Menschen in Armut, so Kardinal Bo. In Bangladesch, so eine Erhebung vom Juni, besuchen 25 Prozent der 15- bis 29-Jährigen weder eine Schule oder Universität noch gehen sie irgendeiner Arbeit nach.
Bei den Themen Armut und Gerechtigkeit kann Franziskus sehr deutlich werden. Vorerst hält er sich jedoch an Dialog und Versöhnung. Sein Gebetsanliegen für die katholische Kirche im November lautet: "Beten wir für die Christen Asiens, damit sie sich für den Dialog, den Frieden und gegenseitiges Verständnis einsetzen, vor allem gegenüber den Angehörigen anderer Religionen." Ein frommes und anspruchsvolles Anliegen - auch für seine eigene Reise.
Die Kirche charakterisiert die Reise vor allem als Ermutigung für die christliche Minderheit. Im mehrheitlich buddhistischen Myanmar machen die Katholiken etwa ein Prozent der Bevölkerung aus; in Bangladesch leben unter 159 Millionen Einwohnern nach Kirchenangaben 375.000 Katholiken, das entspricht 0,24 Prozent. Zudem werden auch Christen Opfer eines zunehmenden Extremismus in beiden Ländern.
Islamisten gewinnen an Einfluss
In Myanmar heizen nationalistische buddhistische Mönche Konflikte zusätzlich an. Ein Großteil der Bevölkerung fürchte, gewalttätige Extremisten aus dem arabischen Raum, sagte Kardinal Bo neulich dem italienischen Pressedienst SIR. Ähnlich angespannt ist die Lage in Bangladesch. Dort gewinnen seit Jahren islamistische Gruppen, beeinflusst und finanziert aus der arabischen Welt, an Einfluss.
Themenseite: Papstreisen
Als Oberhaupt der katholischen Kirche absolviert Papst Franziskus regelmäßig Reisen innerhalb Italiens und in andere Länder. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zu den Reisen des Heiligen Vaters.Glücklicherweise hat sich die zeitweise kritische Lage zwischen beiden Ländern jüngst etwas entspannt. In Bangladesch selbst nahm die Polizei vergangene Woche die mutmaßlichen Mörder dreier liberaler Blogger fest, die 2015 und 2016 umgebracht worden waren, und erhob Anklage im Fall des Mordes an einem Katholiken im Juni 2016, der für Proteste gesorgt hatte.
Sonst dominieren die politischen und pflichtgemäßen kirchlichen Termine; auffällig für einen Papst, der gerne an die Ränder der Gesellschaft geht, zumal in Bangladesch, das von Billigjobs in Textilfabriken und Arbeitsmigration geprägt ist, oder Myanmar mit seiner armen Landbevölkerung und einem gravierenden Aids-Problem. Für Franziskus wird es eine der diplomatisch heikelsten Reisen: Bleibt er zu brav, riskiert er moralische Autorität; redet er zu deutlich, gefährdet er die christliche Minderheit - vor allem in Myanmar.
Dort trifft er am 28. November in der Hauptstadt Naypyidaw unter anderem die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Der Papstbesuch wird als Unterstützung für die zuletzt heftig kritisierte Friedensnobelpreisträgerin gewertet; doch ihr Einfluss gegenüber dem Militär und Nationalisten ist begrenzt.