Das digitale Leben nach dem Tod wird zum Geschäft

Der Tod in den Zeiten des Internets

Veröffentlicht am 03.11.2015 um 09:48 Uhr – Von Laura Lewandowski (dpa) – Lesedauer: 
Internet

Berlin ‐ Wir leben, wir surfen, wir sterben. Für Millionen Menschen gehört das Netz zum Alltag. Aber was passiert mit den persönlichen Daten nach dem Tod? Eine Aufgabe für Experten, für die die ewige Ruhe im Netz zum Geschäftsmodell wird.

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Marktplatz, Videodienst, Partnerbörse - für jede Plattform ein Account, für jede Mitgliedschaft ein Passwort. Neun von zehn Internetnutzern haben laut einer Studie des IT-Verbands Bitkom allerdings nicht festgelegt, was im Todesfall mit ihren Daten passieren soll. Diese aufzuspüren und zu löschen, hat sich das Berliner Start-up Columba zur Aufgabe gemacht. Die digitalen Nachlassverwalter prüfen mit Hilfe eines patentierten Prozesses die Datenbanken diverser Online-Firmen. Knapp 250 Partnerschaften gebe es bislang, sagt Sprecherin Anne Mahncke - darunter eBay, Spotify und Amazon. Anschließend erhalten die Erben eine Liste mit Seiten, auf denen der Verstorbene aktiv war.

Ein Newsletter für Verstorbene?

Bindeglied zwischen Endkunde und der Berliner Firma sind die Bestattungsunternehmen, die den Dienst zum Pauschalpreis buchen. Seit dem Markteintritt 2013 hat Columba nach eigenen Angaben bereits über 1.000 Bestatter ins Boot geholt. Die Online-Anbieter profitieren davon, den Status der Kunden überprüfen zu lassen - denn wer will schon Newsletter an Verstorbene schicken oder mit verwaisten Datensätzen arbeiten?

Dossier: Friedhof: Die letzte Ruhestätte

Was ist im Todesfall zu beachten? Welche Formen der Beisetzung gibt es in Deutschland? Wie hat sich die Bestattungskultur verändert und wie ist es heute um den Friedhof bestellt? Katholisch.de gibt in einem umfangreichen Dossier Antworten auf diese und andere Fragen.

Auch Birgit Aurelia Janetzky arbeitet täglich an der Schnittstelle zwischen Leben und Tod. Vor fünf Jahren gründete die studierte Theologin die Firma Semno. Anfangs knackte sie selbst Passwörter von Verstorbenen und stöberte in deren Vergangenheit, doch diese Dienstleistung hat sie inzwischen abgegeben. "Ich berate Unternehmen, die digitalen Nachlass in ihre Produktpalette integrieren wollen", erklärt die Expertin aus Denzlingen in der Nähe von Freiburg.

Denn auch Bestattungsunternehmen suchen im Netz den Kundenkontakt. Gerade in dieser Branche brauche es besondere Kommunikationsansätze, sagt Janetzky. "Menschen sind in dieser Situation sehr verletzlich. Der lockere Umgangston auf Facebook ist oft irritierend." Mit Vorträgen und Seminaren will sie die Verantwortlichen in puncto Social Media fit machen und Richtlinien im Umgang mit Twitter & Co. entwickeln.

Zu ihren Kunden zählen auch freie Hospizdienste oder Angestellte aus dem Palliativbereich. "Immer mehr junge Menschen machen ihren Sterbeprozess im Internet öffentlich", sagt Janetzky. Dabei meint sie einen Trend, der vor allem aus den USA kommt: Viele Betroffene nutzen in Sozialen Medien etwa den Hashtag "#fuckcancer", um von ihrer Erkrankung zu berichten - mit Selfies vom Krankenbett oder mit Make-up-Tipps.

Eine Werkstatt mit einem Grabstein, dessen Kreuz ein QR-Code ist, wird von einem Handy abfotografiert.
Bild: ©dpa

Auch die Bestatter passen sich vermehrt den Wünschen der digitalen Gesellschaft ein. Ein Beispiel sind Grabsteine mit integrierten "QR Codes".

Die beiden Start-ups könnten mit ihren Geschäftsideen am Anfang einer Erfolgsgeschichte stehen. Aus Sicht von Experten wächst die deutsche Digital-Branche dynamisch. "Der Markt für Dienstleistungen rund um die persönliche Präsenz im Internet entwickelt sich kontinuierlich", sagt Achim Himmelreich, Vizepräsident des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Auch der Bereich Digitaler Nachlass werde künftig zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Die Toten von morgen sind besser vernetzt als Oma und Opa

Das verwundert nicht: Denn dass die Toten von morgen besser vernetzt sind als Oma und Opa vor 30 Jahren, ist eine Binsenweisheit. Laut der ARD/ZDF Onlinestudie waren 79 Prozent der Deutschen im vergangenen Jahr online - 1,4 Millionen mehr als 2013. Der Großteil shoppt regelmäßig im Netz, fast die Hälfte nutzt Online-Communities. Voraussetzung dafür? In der Regel ein Account.

Von Laura Lewandowski (dpa)