Der Weltkriegspapst
"Der nächste Papst muss ein Heiliger sein oder ein Held." Das soll der damalige Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli nach dem Tod von Pius XI. (1922-1939) ausgerufen haben. Ob die Überlieferung stimmt oder nicht, muss offen bleiben. Fest steht: Drei Wochen später, am 2. März 1939, vor 80 Jahren, wählten die 63 im Konklave versammelten Kardinäle Pacelli als Pius XII. (1939-1958) zum Nachfolger seines Landsmanns.
Ein Heiliger kann er nach dem Urteil der katholischen Kirche auch offiziell noch werden - ein Verfahren zur Seligsprechung läuft seit längerem; 2009 wurde als Vorstufe der sogenannte heroische Tugendgrad festgestellt. Als Held ist er nicht in die Geschichtsbücher eingegangen. Unter Historikern wird das Verhalten Pius XII. im Zweiten Weltkrieg bis heute kontrovers diskutiert - ebenso wie zuletzt die Praxis der Päpste des 20. und 21. Jahrhunderts, sich gegenseitig selig- und heiligzusprechen.
Feingliedrige Statur gepaart mit vorsichtig-abwägendem Naturell
So schnell war seit rund 400 Jahren kein Papst mehr gewählt worden: Schon im dritten Wahlgang erhielt Pius XII. die erforderliche Mehrheit. Pacelli war zudem seit 1667 der erste Staatssekretär, der zum Papst gewählt wurde. Den Namen Pius wählte er, um die Verbundenheit mit seinem Vorgänger zu verdeutlichen.
Von diesem unterschied ihn allerdings nicht nur seine feingliedrige Statur, sondern auch sein vorsichtig-abwägendes Naturell. Das machte sich auch im Verhalten gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland bemerkbar - wenngleich beide Hitlers Kriegspolitik und Rassenwahn zutiefst ablehnten. Pius XI. habe man bisweilen bremsen, Pius XII. drängen müssen, sagte ein Berater beider einmal.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs war oberste Maxime Pius' XII. die Überparteilichkeit. Hierbei dürfte nicht zuletzt das Scheitern der Friedensinitiative von Benedikt XV. 1917 eine Rolle gespielt haben - an der Pacelli als Nuntius in München mitgewirkt hatte. Daher enthielt sich dieser Papst strikt eines öffentlichen und ausdrücklichen Protests gegen das NS-Regime. Das brachte ihm bei Kritikern den Vorwurf ein, zum Holocaust geschwiegen oder zumindest nicht genug protestiert zu haben. Unbestritten ist jedoch, dass Pius XII. durch seine Hilfe im Verborgenen Tausenden Juden das Leben rettete.
Pacelli entstammte einer römischen Juristenfamilie, die eng mit dem Vatikan verbunden war. Sein Großvater war Stellvertreter des päpstlichen Innenministers und sein Vater Anwalt am päpstlichen Ehegericht, der sogenannten Rota. 1904 trat Pacelli in den Dienst des Heiligen Stuhls und wurde 1917 zum Nuntius in München berufen. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde er 1920 zusätzlich erster päpstlicher Botschafter beim Deutschen Reich. 1930 wurde er nach Rom berufen und trat das Amt des Staatssekretärs an.
Über das angebliche Schweigen des Papstes wird viel gesprochen, über seine verbrieften Äußerungen sehr viel weniger. Pius XII. verfasste 40 Enzykliken. Viele dieser Schreiben sind heute für den Alltag der Gläubigen nicht mehr von unmittelbarer Bedeutung. Bis heute geblieben ist aber die Liturgie der Karwoche, die auf eine Reform der 1950er Jahre zurückgeht. Bis dahin wurde etwa die Feier der "Osternacht" bereits am Vormittag des Karsamstag gefeiert.
Das kirchliche Urteil über Pius XII. ist endgültig
Im Seligsprechungsverfahren erkannte der Vatikan Pius XII. 2009 den sogenannten heroischen Tugendgrad zu. Dieser Papst habe die christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung in einer für seine Zeit vorbildlichen Weise gelebt, stellte der Vatikan dazu klar. Das kirchliche Urteil über Pius XII. ist somit endgültig, auch wenn er noch nicht selig- oder heiliggesprochen ist. Das historische Urteil hingegen bleibt bislang kontrovers.
Vieles spricht dafür, dass eine Seligsprechung Pius' XII. erst erfolgt, nachdem die Akten des Pontifikates im Vatikanischen Geheimarchiv für die Wissenschaft freigegeben sind. Diesen Schritt hatte der Vatikan ursprünglich schon für 2015 angekündigt. Es fehlten aber noch die Bestände von 20 bis 30 Archiven vatikanischer Botschaften, hieß es 2017. Die Entscheidung über die Freigabe obliege allein dem Papst; und als über Gebühr historisch interessiert gilt der amtierende Papst Franziskus nicht.
Mit sensationellen Entdeckungen rechnen Experten ohnehin nicht. Der Vatikan könnte jedoch endgültig den Vorwurf entkräften, er verheimliche etwas.
Dieser Text erschien bereits am 2.3.2014 und wurde nun aktualisiert neu veröffentlicht.