Diakone sind keine Lückenbüßer!
Vor 50 Jahren wurden die ersten Ständigen Diakone in Deutschland geweiht. Heute gibt es etwas mehr als 3.300 Diakone im Zivil- und Hauptberuf in den deutschen Diözesen. In der Arbeitsgemeinschaft Ständiger Diakonat in Deutschland kommen Vertreter der Diakone und der Diözesen zusammen. Seit Mitte Januar hat sie mit Thomas Nixdorf einen neuen Vorsitzenden.
Frage: Herr Nixdorf, herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Ständiger Diakonat. Was haben Sie sich für die drei Jahre Ihrer Amtszeit vorgenommen?
Nixdorf: Im Moment geht es erstmal darum, mich in dieser neuen Aufgabe zurechtzufinden. In diesem Jahr haben wir ein Jubiläum: 50 Jahre Ständiger Diakonat. Deshalb wünschen wir uns eine Vertiefung im Verständnis des Diakonats und des Platzes unseres Amts in einer diakonischen Kirche. Das ist für die kommende Zeit wichtig. Aktuell gibt es eher administrative Dinge zu klären, wie die Gründung eines Trägervereins für die Arbeitsgemeinschaft.
Frage: In der Kirche wird in der letzten Zeit der Diakonat der Frau verstärkt diskutiert. Wünschen Sie sich weibliche Diakone?
Nixdorf: Unser Bischof in Rottenburg-Stuttgart, Bischof Gebhard Fürst, hält die Weihe von Frauen zum Ständigen Diakonat für möglich. Ich persönlich finde das auch begrüßenswert, glaube aber, dass es bei diesem Thema eine große Spannung gibt: Zwischen dem, was hier bei uns in Deutschland als überfällig angesehen wird, die Rolle der Frau in der Kirche weiterzuentwickeln, und dem, was weltkirchlich verstanden, mitgetragen und akzeptiert werden würde. Was in Europa möglich ist, ist etwa in Afrika noch undenkbar.
Frage: Setzen Sie dabei Hoffnungen auf die theologische Kommission, die Papst Franziskus vor anderthalb Jahren zur Klärung des Diakonats der Frau eingesetzt hat?
Nixdorf: Ich glaube schon, dass durch diese Kommission einige Dinge klargestellt werden und das vorhandene Wissen herausgearbeitet wird. Das Entscheidende wird jedoch sein, wie Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode sagt, ob unser heutiger Blick darauf auch angewendet wird. Das ist natürlich noch nicht abzusehen.
Frage: Wo sehen Sie den Platz der Ständigen Diakone in der Kirche und was ist ihre Aufgabe?
Nixdorf: Papst Franziskus hat dafür kürzlich eine sehr schöne Formulierung gefunden. Er hat gesagt, die Diakone sind "Hüter des Dienstes". Damit bringt er zum Ausdruck, dass wir nicht einfach Knechte oder bessere Tischdiener sind, sondern es gehört zu unserem Amt, dafür Sorge zu tragen, dass die Diakonia in allen Lebensvollzügen der Kirche auch wirklich gelebt wird. Am besten sollten wir dabei natürlich selber mit gutem Beispiel vorangehen.
Frage: In Zeiten des Priestermangels übernehmen Diakone mehr und mehr liturgische Aufgaben, wie Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Sind sie deshalb Lückenbüßer für fehlende Pfarrer?
Nixdorf: Diakone sind Teil des Ordo, des Weiheamtes. Mit der Wiedererrichtung des Ständigen Diakonats wurde der Dienstcharakter des ganzen Amtes stärker betont. Wir haben etwa bei unserer Weihe damals in der Einladung gesagt, wir sind nicht "Herren des Glaubens, sondern Diener der Freude". Dieser Aspekt, für die anderen da zu sein und die Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe im Blick zu behalten, ist eine ganz wesentliche Aufgabe des Diakonats. Lückenbüßer sind wir daher natürlich nicht. Es ist aber so, dass sich der Ständige Diakonat in Ländern, in denen es sehr viele Priester gibt, nicht genauso stark entwickelt hat, wie hier in Deutschland. In Indien gibt es inzwischen auch Diakone, die wir mit einer Gruppe aus zwei Diözesen im Herbst 2016 besucht haben. Aber dort ist der Diakonat noch in der Entwicklung und im Vergleich zu den Priestern, die es dort gibt, zahlenmäßig noch gering.
„Lückenbüßer sind wir natürlich nicht.“
Frage: Auch in Europa gibt es Länder mit einer ähnlichen Entwicklung.
Nixdorf: Ja, genau: In Irland zum Beispiel sind erst vor wenigen Jahren Diakone geweiht worden. Aber deswegen sind auch sie keine Lückenbüßer, die mit beschränkten Kompetenzen Priester ersetzen, sondern das Diakonat ist ein eigenständiges Amt. Genau deshalb ist es wichtig, den Diakonat nach 50 Jahren Etablierung in Europa, Lateinamerika und den USA genauer zu entfalten. Wir müssen uns fragen, was denn eigentlich die Eigenständigkeit des Amtes ist. Denn wer nur von den Funktionen her denkt, also von dem, was man innerhalb der Liturgie und der Kirche darf, der hat Schwierigkeiten zu verstehen, wozu Diakone geweiht sind.
Frage: Warum wollen Männer, die sich schon in ihrer Gemeinde diakonisch engagieren denn auch zum Diakon geweiht werden? Was "bringt" ihnen der Diakonat?
Nixdorf: Das ist eine schwierige Frage. Die Beantwortung hängt ganz davon ab, mit welchen Verstehensvoraussetzungen man an die Frage herangeht. Es ist heutzutage eine Schwierigkeit, Menschen zu beschreiben und zu erklären, was Amtsgnade ist. Das wird häufig so verstanden, als wollte jemand seine Besonderheit pflegen oder es wird nur mit einem psychologischen Blickwinkel angeguckt. Wenn es darum geht, darauf zu vertrauen, dass Gott bei mir ist in meinem Dienst, dann sind wir nah an dem dran, was Weihe meint. Die Weihe ist ein Sakrament, also etwas, in dem Gott zugesagt hat, anwesend zu sein. Die Bewerber für den Diakonat wollen diesen existentiellen Schritt gehen und sich ganz in den Dienst nehmen zu lassen.
Zur Person: Thomas Nixdorf
Thomas Nixdorf (58) ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Nach dem Theologie- und Psychologiestudium in Frankfurt/St. Georgen und Münster war er von 1989 bis 2000 Leiter einer Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in der Erzdiözese Freiburg. Seit 2000 ist Nixdorf Referent im Bischöflichen Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart. 2009 wurde er zum Diakon für die Diözese Rottenburg-Stuttgart geweiht. Seit 2012 ist Nixdorf als Bischöflicher Beauftragter für die Personalführung der Ständigen Diakone zuständig. 2018 wurde er zum Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Ständiger Diakonat in Deutschland gewählt.Frage: Viele Ständige Diakone sind verheiratet und haben Familie. Welche Rolle spielen Ehefrauen und Familie im diakonischen Dienst? Passt es zusammen oder ist es eher eine Schwierigkeit?
Nixdorf: Es ist sicher beides. Manche Ehefrauen bringen sich mehr in die Arbeit ihres Mannes ein, andere haben lieber ihr eigenes Engagement. Das ist heute sehr verschieden, je nach Lebens-, Arbeits- und Familiensituation. Entscheidend ist aber, dass die Frauen bei der Weihe die Bereitschaft geben, ihre Männer zu unterstützen. Ich kann mich eindrücklich erinnern, wie bewegend es war, zu Beginn der Weihe neben meiner Frau zu stehen. Wir sind als Paar diesen Weg gemeinsam gegangen. Entscheidend ist, den kirchlichen Dienst, das diakonische Amt und das Eheleben immer wieder in Balance zu bringen.
Frage: Derzeit gibt es verschiedene Stimmen, die fordern "viri probati" zu Priestern zu weihen. Stehen schon Ständige Diakone bereit, zu Priestern geweiht zu werden?
Nixdorf: Ich kenne da niemanden. Aber ich arbeite im Bistum Rottenburg-Stuttgart in der Personalabteilung und kenne den Priestermangel. Wenn das Priesteramt auf diese Weise geöffnet würde, wäre das ein interessantes Experiment für die Kirche, eine gute Sache. Was das nachher für den Diakonat bedeutet, kann ich nicht abschätzen. Denn es könnte ja auch sein, dass sich der eine oder andere Diakon zum Priester weihen lassen würde, wenn er könnte. Ich glaube aber nicht, dass es viele sein werden. Der Diakonat ist wirklich ein wunderbares Amt und besitzt eine Eigenständigkeit. Man darf ihn nicht als defizitär auffassen, nach dem Motto: Männer, die Priester werden wollten, können mit dem Diakonat ihre Priesterberufung leben. Entscheidend ist als Diakon, dass ich gerne genau dieses Amt ausübe und dann auch gerne Diakon bleibe – und auch dem Priester seinen Platz lassen kann. Die meisten Diakone würden mir dabei zustimmen.
Frage: Was wünschen Sie sich für die kommenden 50 Jahre des Ständigen Diakonats für die Kirche und das Amt des Diakons?
Nixdorf: Der Diakonat ist eine echte Chance für die Kirche, gerade hier in Deutschland durch die Mischung von Diakonen im Zivilberuf und Mitbrüdern im Hauptberuf. Beide Gruppen sind derzeit etwa gleich groß. Ich glaube, dass die großzügige finanzielle Situation, die wir heute in den meisten Bistümern haben, in zehn bis 20 Jahren ganz anders als jetzt aussehen wird. Daher wird gerade der Diakon, der seinen Dienst mit Zivilberuf und Familie ausübt, ein ganz wichtiges Amt sein. Gemeinsam mit Papst Franziskus wünsche ich mir für uns Diakone, dass wir selbstbewusst und engagiert unseren Dienst tun.