Der Union droht in der Frage der Homo-Ehe eine Zerreißprobe

"Die Diskussion von Irland nicht aufdrängen lassen"

Veröffentlicht am 29.05.2015 um 17:00 Uhr – Von Christoph Scholz (KNA)  – Lesedauer: 
Politik

Berlin ‐ Es droht die Zerreißprobe: Das irische Ja zur "Homo-Ehe" kommt für die Union zur Unzeit. Immerhin geht es für die Konservativen in der Partei um einen Markenkern. Andere Parteimitglieder könnten sich ein Umdenken jedoch vorstellen. Unionsfraktionschef Volker Kauder versucht nun die Partei auf Linie zu bringen.

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"Für mich ist die Ehe im Sinne des Grundgesetzes die Verbindung zwischen Mann und Frau", betonte Kauder. Er lehne die "sogenannte Homo-Ehe" ab, "auch weil ich die Volladoption durch Lebenspartner nicht für richtig halte". Bislang gelang es der Union, noch jeden Vorstoß von Linken, Grünen oder SPD für eine volle Gleichstellung abzublocken. So machte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Mittwoch bei der Vorlage einer weiteren Rechtsanpassung für Lebenspartnerschaften erneut deutlich, dass die volle Gleichstellung für ihn zwar überfällig, in der Koalition aber nicht machbar sei.

Durch verschiedene Anpassungsgesetze etwa beim Ehegattensplitting, im Beamten- oder Steuerrecht besteht inzwischen eine weitgehende Gleichstellung oder ist noch geplant. Die unter Rot-Grün verabschiedete Regelung zur Lebenspartnerschaft stellen auch Konservative in der Union nicht mehr infrage. So hat auch der Leiter des Kardinal-Höffner-Kreises, Karl Schiewerling (CDU), keine Einwände gegen eine weitgehende Gleichberechtigung. Es sei positiv, wenn zwei Personen füreinander Verantwortung übernähmen, so Schiewerling auf Anfrage. Diese Haltung vertreten auch die meisten der Unionsmitglieder im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Diskussion bekommt neue Qualität

Selbst Kauder befürwortet inzwischen die Angleichungen. Dabei nahm die Union stets billigend den Vorwurf in Kauf, sie lasse sich vom Bundesverfassungsgericht treiben. Denn bislang hat sie aus inhaltlicher und wahltaktischer Überzeugung eine aktive Rolle bei der Angleichung stets vermieden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder.
Bild: ©KNA

Er versucht die CDU wieder auf Linie zu bringen: Unionsfraktionschef Volker Kauder.

Die von Irland befeuerte Diskussion hat aber eine neue Qualität. Nun geht es um die Frage der Gleichstellung von Ehe und "Homo-Ehe". Selbst der damalige rot-grüne Gesetzgeber hatte dies nicht vorgesehen, als er die Institution "Lebenspartnerschaft" schuf. Der Ehebegriff ist symbolisch wie gesellschaftspolitisch hoch aufgeladen. Nicht zuletzt die nachdrückliche Kritik aus dem Vatikan am irischen Votum machte das deutlich. So verlangt Schiewerling wie Kauder die "klare Unterscheidung zu Ehe und Familie", wie es die Verfassung vorsehe. Der Ehe solle auch das volle Adoptionsrecht vorbehalten bleiben.

CDU befürchtet Verwerfungen in Partei und Wählerschaft

Offen ist aber, wie mehrheitsfähig diese Position in der Union noch ist. Zumal unter jungen Unions-Abgeordneten die Zahl derer wächst, die "persönlich" eine Öffnung der Ehe befürworten. Ebenso stehen viele offen zur eigenen Homosexualität. Die Unionsführung hat die Debatte bislang so gut es ging gemieden.

Sie befürchtet tiefe Verwerfungen in Partei wie Wählerschaft. Dabei geht es in der Konsequenz nicht nur um das Institut der Ehe, sondern auch um das Verhältnis von biologischer und sozialer Elternschaft, die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin und Leihmütterschaft und vor allem die Rechte des Kindes.

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Der Satz des vatikanischen Kardinalstaatssekretärs Pietro Parolin, die Abstimmung der Iren über die Homo-Ehe sei eine "Niederlage für die Menschheit", sorgt für mächtigen Wirbel. Die Kritik - auch aus der Kirche - hält an.

Das Bundesjustizministerium geht in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen davon aus, dass "mit Blick auf die einschlägige ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" eine Öffnung der Ehe "eine Änderung des Grundgesetzes" voraussetzen würde. Die Union müsste im Zweifelsfall daran mitwirken. Für die Unionsführung ein Alptraum.

Die Familienpolitik der Union ist für viele Konservative ohnehin kaum noch von jener der SPD zu unterscheiden. Die Öffnung der Ehe würde für sie letzte Differenzen nivellieren, zugleich aber ganz neue Debatten eröffnen. Der CSU-Politiker und Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer rät der Union deshalb zu Umsicht. Sie sollte sich «die Diskussion von Irland nicht aufdrängen lassen». Der Koalitionsvertrag habe eine klare Aussage getroffen. «Es gibt keinen Grund, darüber hinauszugehen», so Singhammer auf Anfrage.

Von Christoph Scholz (KNA)