Die Herrin des Museums der Superlative
Als Papst Franziskus seine traditionelle Weihnachtsansprache vor der römischen Kurie hielt, saßen da viele ältere Männer. Ganz hinten saß die wohl einzige Frau in dieser Runde: Barbara Jatta. Die Leiterin der Vatikanischen Museen ist die erste Frau an der Spitze der mehr als 500 Jahre alten Institution, die unter anderem die Sixtinische Kapelle mit Michelangelos Deckenmalerei beherbergt. Die 55 Jahre alte Kunsthistorikerin wird gern als die mächtigste Frau im Kirchenstaat bezeichnet. Und nicht nur, weil ein beträchtlicher Teil der Einnahmen des Vatikans aus dem Museum kommt.
Jatta sitzt in ihrem Büro, das Fenster steht offen, der Blick geht direkt auf die Kuppel des Petersdoms. Hier wird gleich klar, wem man zuarbeitet. Neben dem Schreibtisch stehen Familienbilder, Ehemann, drei Kinder. Jatta entschuldigt sich für das Zettelchaos auf dem Tisch. "Es ist eine sehr intensive Aufgabe. Ich bin mit dem Kopf den ganzen Tag hier", sagt sie, das Lächeln dennoch unbeschwert, die Augen strahlend, das Haar dunkelblond und luftig leicht.
"Es gibt hier so viele Frauen, die gut arbeiten"
Mächtigste Frau im Vatikan? "Das würde ich eher nicht sagen. Es gibt hier so viele Frauen, die gut arbeiten", sagt sie. Fragen zum Frauenthema hat sie schon zigfach beantwortet. Schließlich interessiert jeden, wie es so ist als Frau in der berühmtesten Männerinstitution der Welt. Sie habe niemals irgendwelche Behinderungen erlebt und sei herzlich aufgenommen worden. Dass Franziskus sie vor einem Jahr ernannt habe, sei doch "eine schöne Botschaft". Zuvor hatte die Römerin in der Vatikanischen Bibliothek 20 Jahre das Druckgrafik-Kabinett geleitet.
Linktipp: "Zweifellos eine Revolution"
Seit 1506 existieren die Vatikanischen Museen. Ab 2017 werden sie erstmals von einer Frau geleitet. Im Interview spricht Barbara Jatta über neue Pläne und verborgene Schätze. (Interview von Dezember 2016)Jattas Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr und endet oft erst gegen 20 Uhr. Zu viel gibt es zu tun. Pro Tag strömen bis zu 30.000 Besucher durch die Kilometer langen Gänge des Museums, drängen sich in der Sixtinischen Kapelle oder stauen sich vor den Stanzen Raffaels. Pro Jahr sind es etwa sechs Millionen Menschen, ein Besuch in den Museen ist ein Muss für jeden Rom-Touristen. Zum Vergleich: Deutschlands Topattraktion Schloss Neuschwanstein besuchen jährlich etwa 1,5 Millionen Menschen.
Die Schlangen vor dem Vatikan-Museum halten viele für unzumutbar, den Ausstellungsgenuss für begrenzt, wenn man wie in einer Herde durch die Gänge geschleust wird. Jatta ist sich dessen bewusst, sie empfiehlt jedem, sehr früh morgens oder am Abend zu kommen. Oder zu speziellen Führungen außerhalb der Öffnungszeiten. Eine Beschränkung der Besucherzahlen hält sie für kein geeignetes Mittel, um der Massen Herr zu werden.
Obwohl die sich manchmal daneben benehmen: Jeden Tag bekomme sie eine Aufstellung über die Schäden des Tages. Ein abgebrochenes Mauerstück, ein beschädigtes Ausstellungsstück, Kaugummis unter den hölzernen Bänken der Sixtinischen Kapelle - das alles gehört dazu. Jatta ärgert sich über solch "kulturloses" Verhalten einiger Besucher.
Genauso ärgert sie sich über Berichte, wonach das Museum für Unternehmensfeiern wie zum Beispiel Porsche die Sixtinische Kapelle vermieten würde. "Niemals Essen für Firmen in der Sixtinischen Kapelle. Ein kategorisches Nein", sagt sie. "Der Papst würde uns am Obelisk des Petersplatzes aufhängen." Vielmehr gebe es die Möglichkeit im Rahmen von Führungen durch das Museum, ein "leichtes Abendessen" hinzu zu buchen, sagt sie.
Die Vatikanischen Museen als Mittel "kultureller Diplomatie"
Der Vatikan hat vor allem ein Interesse, seine Botschaft auch durch die Kunst zu vermitteln. So betreiben die Vatikanischen Museen auch "kulturelle Diplomatie", wie Jatta sagt. Zum Beispiel China: Mit dem Land hat der Vatikan keine diplomatischen Beziehungen. Kürzlich wurde die erste Ausstellungskooperation der beiden Staaten verkündet. Jeweils rund 40 Kunstwerke werden "ausgetauscht" und im kommenden März in China und im Vatikan gezeigt. Die Ausstellungen seien ein Vehikel für die ersten politischen Kontakte.
Und Franziskus versucht auch, das Motto seiner Amtszeit - eine "arme Kirche für die Armen" - in den Museen zu spiegeln: So lud er einmal 150 Obdachlose in die Museen ein, darauf folgten 50 Häftlinge, die in der Sixtinischen Kapelle dem Angelusgebet des Papstes lauschten. Auch Jatta hat das Privileg, allein in dem Ort zu stehen, wo traditionell Päpste gewählt werden. Nur Franziskus hat sie noch nicht persönlich in den Museen besucht. Aber sie hoffe, dass er bald mal vorbei komme.