Die Hoffnung schwindet
58 Familien würden von ihrem Agrarland abgeschnitten; betroffen wäre auch die 1960 gegründete Schule der Salesianerinnen mit 450 Schülern. Die letzte Hoffnung liegt nun auf Israels Oberstem Gerichtshof, der an diesem Mittwoch zur letzten Anhörung zusammenkam. Wann das Urteil ergeht, ist noch offen. Vor einem Jahr hat die Stimmung der Menschen in Beit Dschalla einen deutlichen Dämpfer bekommen: Die Erstinstanz, das Magistratsgericht in Tel Aviv, hatte ihre Klage abgewiesen.
Kein Optimismus mehr
Mit "Gerechtigkeit" habe das Verfahren nichts zu tun, meint Ibrahim Schomali. "Unser wahrer Feind sind die Richter", so der katholische Pfarrer von Cremisan. Noch vor einem Jahr klang er optimistischer: "Wir haben es geschafft, die Hoffnung am Leben zu erhalten." Das war, bevor die Erstinstanzrichter die Klage ablehnten. Die Frage nach den Erfolgsaussichten nun hört man nicht gern in Beit Dschalla: "Wir haben das starke Gefühl, dass alles, was wir tun, vergebens ist", heißt es. Und Pfarrer Ibrahim sagt: "Nur noch Gott kann uns jetzt helfen."
Auch ohne den Mauerbau haben die 12.000 mehrheitlich christlichen Einwohner Beit Dschallas durch Beschlagnahmungen und Siedlungsbau bereits 60 Prozent ihres ursprünglichen Landes verloren. Mit dem drohenden Mauerbau steht nun noch mehr als wertvolles Kulturland auf dem Spiel: "Erntezeit ist Familienzeit", sagt Grace, die Jahrhunderte alten Familienbesitz verlöre. Die ganze Großfamilie kommt zum Olivenpflücken zusammen. "Wir verlieren die gemeinsame Zeit unter einem Dach, unseren Olivenbäumen. Mit dem Land verlieren wir unser wichtigstes Erbe - und damit unsere Existenz!" Die jüngere Generation denkt jetzt schon ans Auswandern, sagen die Christen von Beit Dschalla. Ohne Land wird sie nichts mehr zurückhalten.
Jeden Meter Land greifen
"Sicherheit" lautet das magische Wort im Rechtsstreit um die Mauer im "christlichen Dreieck" Bethlehem, Beit Dschalla und Beit Sahur. "So dicht wie möglich auf palästinensische Seite" solle die Mauer, um "jeden möglichen Meter Land" zu greifen - für die Betroffenen ist dies die einzig mögliche Erklärung. "Wenn es nur um Sicherheit geht, warum bauen sie die Mauer dann nicht auf der anderen Talseite?" Die Frage von Bürgermeister Nael Salman ist rhetorisch.
Tatsächlich liegt die zu schützende israelische Siedlung auf palästinensischem Land jenseits der Grünen Linie. Es gäbe viele Szenarien, die Beit Dschalla weniger schädigen würden - und vom Sicherheitsstandpunkt auch für Israel sinnvoller und kostengünstiger wären, erklärt Rechtsanwalt Zvi Avni von der Menschenrechtsorganisation Society of St. Yves. Hochrangige israelische Militärsicherheitsexperten hätten dies bestätigt, sagt er; und auch Israels Pläne, einen Teil des Tals nach Abschluss der Mauerbauarbeiten zum Nationalpark zu erklären, scheinen das Sicherheitsargument ad absurdum zu führen.
"Schreibt an eure Botschaften!"
Also eine politische Entscheidung, so die Menschenrechtler. Umso wichtiger sei politischer Druck auf die Regierung. Diplomatischer Druck würde helfen, glauben Zvi Avni und seine Kollegen - eine Einschätzung, die auch der Pfarrer von Beit Dschalla teilt. "Schreibt an eure Regierungen, an eure Botschaften", ermunterte er Mitte Januar eine internationale Gruppe von Bischöfen - die tatsächlich in einer gemeinsamen Stellungnahme die Annexion palästinensischen Landes und Zerstörung von Ackerland verurteilten.
Das werten die Menschen in Beit Dschalla als ein wichtiges Zeichen - und sie warten auf eine vergleichbare Positionierung des Vatikan. Dass dort niemand offiziell Stellung nehmen wolle, ist hingegen für Anwalt Zvi Avni nur allzu verständlich: "Es handelt sich um einen problematischen Fall in einer sensiblen Situation. Es geht um palästinensisches Land. Gleichzeitig sind ausländische Orden betroffen. Es steht ein Papstbesuch bevor, und zwischen Israel und dem Vatikan dauern heikle Verhandlungen um steuerrechtliche und andere Fragen an."
Von Andrea Krogmann (KNA)