"Die Kirche ist kein Konzern"
Frage: Herr Generalvikar, wie bewerten Sie die gestrige ARD-Dokumentation zum Reichtum der katholischen Kirche?
Pfeffer: Ich hatte den Eindruck, dass in der Dokumentation mit Blick auf die Finanzen der Kirche durchaus ein paar wunde Punkte angesprochen wurden. Allerdings habe ich mich darüber geärgert, dass die Sendung teilweise sehr tendenziös wirkte. Viele Dinge wurden sehr vereinfacht dargestellt, so wurden beispielsweise Zahlen genannt, die man nicht überprüfen konnte. Die Wahl der Hintergrundmusik, die Bildinszenierung und auch der Stil des Sprechers erweckten bei mir den Eindruck, dass da Stimmung gegen die katholische Kirche gemacht werden sollte.
Frage: Können Sie Ihre Kritik konkretisieren? Was hat Sie vor allem an der Dokumentation gestört?
Pfeffer: Mich hat vor allem gestört, dass immer wieder behauptet wurde, die katholische Kirche sei ein Konzern und deshalb müsse es doch ganz einfach sein, Zahlen zu den Finanzen auf den Tisch zu legen. So einfach ist die Welt aber nicht! Die katholische Kirche ist kein Konzern. Wir haben vielmehr viele verschiedene Rechtsträger, von denen kein Bischof und kein Generalvikar mal eben einen Blick in die Bücher verlangen kann. Wir haben eine sehr komplexe Struktur, die historisch gewachsen ist und auch viele Vorteile hat. Zum Beispiel sichert diese Struktur die finanzielle Eigenständigkeit der Kirchengemeinden, und das ist ein hohes Gut.
Frage: Sie sagen, die komplexe Struktur mache es unmöglich, den Reichtum der Kirche genau zu beziffern. Muss die Struktur dann nicht geändert werden, um eben doch mehr Transparenz bei den Finanzen zu erreichen?
Pfeffer: Ja und nein. Die Struktur selbst ist ja nicht automatisch das Problem. Beispielsweise hat es aus meiner Sicht eben durchaus Vorteile, wenn eine Kirchengemeinde eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit hat und ihre Mittel selbst verwalten kann. Und darüber hinaus haben wir beim Thema Transparenz ja schon einiges erreicht: Fast alle Bistümer stellen ihre Buchführung derzeit so um, dass durch die doppelte Buchführung künftig mehr Transparenz gewährleistet ist. Allerdings ist der Wechsel von der Kameralistik auf die Doppik ein langer und komplizierter Weg, der viel Zeit braucht. Der wunde Punkt, den die Dokumentation angesprochen hat, betrifft aber vor allem auch die Transparenz innerhalb unserer Kirche. Hier haben wir einen hohen Nachholbedarf. Wir dürfen keine Angst vor mehr Transparenz haben! Ich erlebe immer wieder, dass Kirchengemeinden oder auch andere kirchliche Einrichtungen gar nicht begeistert sind, wenn der Bischof Einblick in deren Finanzen haben möchte. Da kommt dann schnell der Vorwurf, das Bistum wolle dem jeweiligen Träger irgendetwas wegnehmen oder unberechtigterweise Einfluss nehmen - und das befördert eine interne Abschottung. Vielleicht spielt da auch eine Angst vor Konkurrenz oder vermeintlichem Machtverlust eine Rolle. Insofern ist der mediale Druck berechtigt, als er uns als Kirche einen Antrieb gibt, alles zu tun, um auch untereinander und gegenüber der Öffentlichkeit ehrlicher miteinander umzugehen.
Frage: Wie kann denn mehr interne Transparenz hergestellt werden?
Pfeffer: Durch ganz viel Kommunikation, das ist das Allerwichtigste. Dazu gehört aber auch die Sicherung von verlässlichen Kontrollmechanismen durch kompetente Aufsichtsgremien. Da gibt es sicher Entwicklungsbedarf. Grundsätzlich aber müssen wir uns immer wieder fragen: Worin genau besteht die Angst, wenn Zahlen offengelegt werden sollen? Ich erlebe immer wieder, dass auf nahezu allen Ebenen - und nicht nur bei Bischöfen - eine subtile Angst vor Transparenz zu spüren ist. Warum eigentlich? Daran müssen wir arbeiten, das müssen wir überwinden. Wir dürfen keine Angst vor mehr Kontrolle haben oder davor, dass mir irgendjemand etwas wegnehmen möchte. Nur wenn wir intern offen und ehrlich miteinander umgehen, können wir auch nach außen glaubwürdig auftreten.
Frage: In der ARD-Dokumentation trat mehrfach der Berliner Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski auf. Unter anderem versuchte er, das tatsächliche Vermögen einzelner Bistümer und der Kirche beispielhaft durchzurechnen. Für wie seriös halten Sie die von ihm genannten Zahlen?
Pfeffer: Ich finde es immer problematisch, wenn in einer Fernsehsendung der Anschein erweckt wird, dass Leute mal eben an Flipcharts Berechnungen zu komplexen Themen aufstellen. Da werde ich skeptisch. Und ich werde auch skeptisch, wenn in Grafiken alle möglichen Summen genannt werden, ohne zu prüfen, was sich tatsächlich hinter den genannten Zahlen verbirgt.
Frage: In der Sendung kamen auch einige Bischöfe und Generalvikare zu Wort, die die Frage, wie hoch das Vermögen ihrer jeweiligen Diözese sei, nicht beantworten konnten. Hätten Sie diese Frage für das Bistum Essen beantworten können?
Pfeffer: Nein, das hätte ich nicht gekonnt. So, wie die Frage in der Dokumentation gestellt wurde, ist sie aber auch nicht zu beantworten. Die Frage war allzu plakativ und ging wieder davon aus, dass die katholische Kirche ein Konzern ist. Das ist aber ein Denkfehler! Ich beispielsweise bin als Generalvikar "nur" für den Haushalt des Bistums, also des Generalvikariates und seiner Einrichtungen, verantwortlich. Das ist aber nicht die gesamte katholische Kirche im Ruhrbistum, weil dazu noch viele andere Rechtsträger gehören, über deren Gelder ich überhaupt nicht verfügen kann. Die katholische Kirche ist in dieser Hinsicht eben nicht so hierarchisch, wie immer wieder behauptet wird, sondern sie ist ein sehr komplexes Gebilde mit vielen selbstständigen Einheiten.
Das Interview führte Steffen Zimmermann