Die längste Messe der Welt
Die katholische Kirche macht die Teilnahme an den Gottesdiensten eigentlich ziemlich leicht: Es gibt eine Grundstruktur, nach der Messen in aller Welt gefeiert werden. Wer die Elemente einmal gelernt hat, findet sich zurecht. Umso verwirrender kann einem dann die Liturgie in der Karwoche vorkommen, denn sie ist irgendwie ganz anders.
Zugleich ist das "Triduum Paschale" oder auch "Triduum Sacrum" von Gründonnerstag bis zur Osternachtsfeier der Höhepunkt schlechthin, was Kirchenfeste betrifft. Um eine bewusste Mitfeier zu ermöglichen, erklärt katholisch.de den Hintergrund der "österlichen drei Tage".
Der erste Schlüssel zum Verständnis dieser vermeintlich rätselhaften Liturgie lautet: Die heiligen drei Tage sind in Wirklichkeit nur ein einziger Tag – und ein einziger Gottesdienst. Alles, was zu fehlen scheint, wie etwa Schlusssegen oder Begrüßungsworte, erklärt sich damit. Es handelt sich um ein Hochfest und damit sozusagen um die längste Messe der Welt, die drei Tage umfasst. Trauer und Freude in einem Gottesdienst sollen eines deutlich machen: Das Leiden und die Auferstehung Christi sind zwei Seiten desselben Heilsereignisses.
Messe vom Letzten Abendmahl
Am Gründonnerstag beginnen zwischen 16 und 20 Uhr mit den Abendmahlsmessen "Die Drei Österlichen Tage vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung des Herrn". Auffällig ist, wie der Gottesdienst feierlich beginnt, um dann still und schlicht zu enden. Priester und Ministranten ziehen in der Festfarbe weiß ein, zum Lobgesang Gloria spielt laut die Orgel, die Kirchenglocken läuten und die Messdiener klingeln mit ihren Schellen. Danach kippt die Stimmung: Die Orgel verstummt bis zur Auferstehung Jesu und die Ministranten benutzen nur noch Klappern aus Holz.
Ins Zentrum rückt dann die Eucharistie: In den Lesungen geht es um das Paschamahl im Alten Testament und das Letzte Abendmahl Jesu. Das Evangelium behandelt die Fußwaschung, die Jesus damals an seinen Jüngern vorgenommen hat. Und nach der Predigt wird diese in vielen Gemeinden begangen – in Bischofs- und Abteikirchen ist sie sogar Pflicht. Damit symbolisiert der Geistliche den Dienstcharakter seines Amtes. Nach den Fürbitten folgt kein Glaubensbekenntnis.
Der Altarraum wird abgedeckt
Die Besonderheit des Abends wird bei der Wandlung deutlich, wenn – zum einzigen Mal im Kirchenjahr – die Worte verändert werden. Dann heißt es je nach Hochgebet "Denn in der Nacht, da er verraten wurde - das ist heute -, nahm er das Brot und sagte Dank…" oder "Denn am Abend, an dem er ausgeliefert wurde und sich aus freiem Willen dem Leiden unterwarf - das ist heute". Außerdem wird die Kommunion in beiderlei Gestalt, Brot und Wein, gereicht.
Danach werden die geweihten Hostien an einen anderen Ort, eine Seitenkapelle oder einen Seitenaltar, überführt – der Tabernakel bleibt offen und leer. Jeglicher Schmuck wird vom Altar abgedeckt, dies soll auf die Verlassenheit Jesu und die Beraubung seiner Kleider erinnern. Am Ende gibt es keinen Schlusssegen, sondern die Einladung, vor dem Allerheiligsten eine nächtliche Anbetung zu halten, in Anlehnung an die Nachtwache am Ölberg.
Karfreitagsliturgie
Keine Eucharistiefeier, aber dafür Kreuzverehrung und die Großen Fürbitten, das kennzeichnet die Karfreitagsliturgie. Zur Todesstunde Jesu, also um 15 Uhr, versammelt sich die Gemeinde still in der Kirche. Es gibt keinen Weihrauch, die Farbe Rot der Gewänder erinnert an das Blut, das Jesus in seinem Leiden und Sterben vergossen hat. Still legen sich die Priester und Ministranten nach dem Einzug auf den Boden, während die Gemeinde kniet. Diese Gebärde der "Prostratio" wird nur an diesem Tag und bei Weihen zu Diakon, Priester und Bischof gehalten.
Kern der Feier ist der Wortgottesdienst mit biblischen Lesungen über den Gottesknecht aus Jesaja, aus dem Hebräerbrief und die Passion aus dem Johannesevangelium. Das Evangelium wird meist mit drei Sprecherrollen für den Erzähler, Jesus und die anderen vorgelesen. Es zeigt nicht nur auf, was in den letzten Stunden Jesu geschah, sondern deutet auch aus, warum er sich freiwillig dem Tod ausgeliefert hat. An der Textstelle, an der Jesus seinen Geist aufgibt, kniet sich die Gemeinde zu einer kurzen Gebetsstille hin.
Segen ohne Kreuzzeichen
Nach der Predigt folgen die sogenannten Großen Fürbitten, die sich in ihrer Ausgestaltung stark von den gewöhnlichen Fürbitten unterscheiden. Zehn Mal wird das Anliegen genannt, dann wird mit einem "Beuget die Knie" zu kurzem Gebet eingeladen. Themen sind unter anderem Papst und Kirche, Nichtchristen, die Regierenden und die Notleidenden.
Seit dem Jahr 400 gibt es bis heute das Element der Kreuzverehrung: Der Gemeinde wird zum Ruf "Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt" ein hoch erhobenes Kreuz gezeigt. Wenn es mit einem Tuch verhüllt ist, wird es in drei Schritten in den Altarraum getragen und dabei enthüllt. Dann ziehen die Mitfeiernden in einer Prozession zum Kreuz und verehren es mit einer Kniebeuge oder mit der Niederlegung von Blumen. Je nach Kulturkreis ist auch das Umarmen und Küssen des Kreuzes üblich.
Es folgt die Kommunion, die aus der Seitenkapelle geholt wird, in die sie seit der Abendmahlsfeier am Gründonnerstag ist. Der Sinn des Kommunionempfangs ist an dem Tag eine innerliche Vereinigung mit dem sterbenden Christus. Selten wird sie auch ausgelassen mit dem Argument des Wartens auf den Auferstandenen. Die Karfreitagsliturgie endet mit einem Segensgebet ohne Kreuzzeichen.
Osternacht
Die Osternachtsfeier ist das Zentrum des "Triduum paschale", die "Mutter aller Vigilien" und wie die Christmette die "Nacht der Nächte". Die Kirche erwartet in ihr zunächst die Auferstehung und feiert sie dann. Deshalb sollte der Gottesdienst im Zeitraum nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang beginnen. Die Liturgie besteht aus den vier Elementen Lichtfeier, Wortgottesdienst, Taufe, Eucharistie.
Gläubige, die sich gerne einen Sitzplatz in der Kirchenbank reservieren, stellt sie vor ein Dilemma, denn die Lichtfeier beginnt vor der Kirche im Freien. Dort segnet der Priester zunächst das Osterfeuer und entzündet daran die Osterkerze. In einer Prozession trägt der Diakon die Kerze in das dunkle Gotteshaus – unter dem dreimaligen Ruf "Lumen Christi – Deo gratias" – "Christus, das Licht – Dank sei Gott". Das Licht der Osterkerze wird an die Ministranten weitergegeben und an alle Mitfeiernden.
Mit dem Gloria geht das Licht an
Die elektrische Beleuchtung der Kirche wird noch lange Zeit aus bleiben, denn es folgt zunächst das gesungene Osterlob, das sogenannte Exsultet. Auch der nun folgende Teil der Bibellesungen wird größtenteils nur von Kerzenlicht begleitet. Mindestens drei Lesungen aus dem Alten Testament, vorgesehen sind aber sieben, werden vorgetragen, darunter der Durchzug durch das Rote Meer. Unterbrochen werden die Lesungen jeweils von Gesang und Gebet. Bevor zwei Texte aus dem Neuen Testament kommen, wird es beim Gloria feierlich: Die Orgel spielt wieder, alle Glocken läuten und das Licht wird angemacht – Christus ist auferstanden.
Vor dem Evangelium erklingt zum ersten Mal seit Aschermittwoch wieder das Halleluja. Nach der Predigt ist eine Tauffeier vorgesehen, oft handelt es sich dabei um die Erwachsenentaufe. Zunächst wird jedoch die Allerheiligenlitanei ("Heilige(r) …, bitte für uns") gesungen und das Taufwasser gesegnet. Weil alle Anwesenden dabei ihr Taufversprechen erneuern und mit dem Osterwasser besprengt werden, entfällt das Glaubensbekenntnis vor den Fürbitten.
Es folgt die Eucharistiefeier, zu der die Neugetauften oder die Ministranten die Gaben in einer feierlichen Prozession bereiten. Wie an Gründonnerstag gibt es die Empfehlung, zum Brot auch die Kelchkommunion zu reichen. Schließlich handelt es sich um den Höhepunkt des wichtigsten Gottesdienstes des Jahres.
In den meisten Kirchengemeinden gibt es am Vormittag des Ostersonntags einen feierlichen Gottesdienst. Mit dem Erlebnis der Osternacht ist er jedoch nicht vergleichbar. Ja, die einzelnen Feiern des Letzten Abendmahls, der Karfreitagsliturgie und der Ostervigil dauern recht lange, je eineinhalb bis gut zwei Stunden, und finden an ungewohnten Zeiten statt. Aber bei entsprechender Gesundheit, lohnt es sich für jeden Gläubigen, das gesamte "Triduum Sacrum" mitzufeiern. Ein intensiveres Ostererlebnis gibt es fast 2000 Jahre nach der Auferstehung nämlich kaum.