Die neue Nummer zwei
Parolin muss dafür sorgen, dass die vatikanischen Behörden möglichst reibungslos zusammenarbeiten, und bestimmt den Kurs der diplomatischen Vertretungen des Papstes im Ausland. Der italienische Diplomat soll dem Papst im Alltagsgeschäft den Rücken freihalten.
Franziskus hat einen Mann von außen zu seinem ranghöchsten Mitarbeiter gemacht. Die vergangenen vier Jahre wirkte Parolin nicht in der römischen Zentrale. Gleichwohl ist der bescheiden auftretende Italiener aus seiner Zeit als stellvertretender vatikanischer Außenminister bestens mit dem Innenleben der Kurie sowie mit der Lage der Weltkirche vertraut.
Seit 1986 im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls, war Parolin in Mexiko und Nigeria eingesetzt. Auch an den heiklen Verhandlungen des Vatikan mit Israel und den kommunistischen Regimes in Vietnam und China wirkte er mit.
Diese Erfahrungen wird der am 17. Januar 1955 in Schiavon in der norditalienischen Provinz Vicenza geborene Parolin nun brauchen. Auf ihn wartet eine Herkules-Aufgabe: Er muss die von Franziskus angestrebte Reform der römischen Kurie an Haupt und Gliedern umsetzen. Wie die Neustrukturierung im Detail aussehen wird, ist bislang zwar noch offen.
Erstes Aufsehen schon vor dem Amtsantritt
Die grobe Richtung ist jedoch klar: Die Kurie dreht sich für Franziskus zu sehr um sich selbst und ist zu wenig Dienstleister für die Weltkirche. Mit dieser Sicht dürfte sich der Papst im eigenen Haus nicht nur Freunde machen. Die Beharrungskräfte einer Verwaltung, insbesondere einer so traditionsreichen wie der römischen Kurie, sind groß.
Nicht mit Aussagen zur Kurienreform allerdings, sondern zum Zölibat sorgte Parolin unterdessen in seinem jüngsten Interview für Aufsehen und löste eine neue Debatte über die verpflichtende Ehelosigkeit von Priestern aus. Diese sei "kein Dogma der Kirche, und man kann darüber diskutieren", sagte er.
Damit gab er im Prinzip zwar die geltende kirchliche Lehre wieder. Seine Bemerkung, dass die Kirche die "Zeichen der Zeit" erkennen müsse und dass hierzu auch der Priestermangel gehöre, wurde jedoch als Beleg für eine neue Offenheit verstanden.
Für Papst Franziskus war Parolin offenbar von Anfang an der Mann seiner Wahl. Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga berichtete in einem Interview, dass Franziskus ihm schon am 17. März, also vier Tage nach Ende des Konklaves, gesagt habe, dass Parolin sein Staatssekretär werden solle.
Kritik am Vorgänger
Welche Rolle dessen Behörde künftig im Gefüge der Kurie spielen wird, muss sich noch zeigen. Kardinäle auch aus der Kurie klagten über einen überzogenen Machtanspruch unter Parolins Vorgänger, Kardinal Tarcisio Bertone. Manches deutet darauf hin, dass der Staatssekretär künftig weniger Einfluss haben könnte und sich seiner ursprünglichen Aufgabenbeschreibung wieder annähert.
Es kann als eine Ironie des Schicksals gelten, dass ausgerechnet der scheidende Kardinalstaatssekretär Bertone während Franziskus' erstem Besuch der Behörde sagte, das Kardinalstaatssekretariat müsse sich als "Sekretariat des Papstes" verstehen. Dem seit 2006 amtierenden Weggefährten Benedikts XVI. wurde mitunter vorgeworfen, für viele Missstände an der römischen Kurie mitverantwortlich zu sein.
Dass dies auch etliche Kardinäle so sehen, offenbarte der Kölner Kardinal Joachim Meisner nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. Er habe sich im Auftrag mehrerer Kardinäle bei Benedikt XVI. für eine Auswechslung Bertones eingesetzt, berichtete er in einem Interview.
Vergebens. Nach Franziskus' Wahl schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann der inzwischen 78-jährige Bertone seinen Posten räumen würde. Ende August gab Franziskus schließlich Parolin als Nachfolger bekannt. (meu/KNA)