Die Rückkehr der "schlauen Jungs"
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Jesuiten aus mehreren Ländern ausgewiesen, das Vermögen des Ordens enteignet, seine überaus starke Stellung im Bildungswesen zerstört bzw. entscheidend geschwächt. 1773 verbot Papst Clemens XIV. den Orden auf Druck Frankreichs und der Kolonialmächte Spanien und Portugal ganz.
Viele Regierungen protestierten - doch nur die russische Zarin Katharina II. weigerte sich dauerhaft, das Verbot umzusetzen. Russland blieb das Rückzugsgebiet, und Sankt Petersburg wurde Sitz des Ordensgenerals. "Jetzt schläft er, dieser furchtbare Orden, in armseliger Gestalt an den Grenzen von Europa, vielleicht daß er von daher sich, wie das Volk, das ihn beschützt, mit neuer Gewalt einst über seine alte Heimat, vielleicht unter anderm Namen, verbreitet", schrieb der Dichter Novalis 1799. Und er sollte Recht behalten.
Die Neuanfänge waren nicht leicht
Papst Pius VII. (1800-1823) und die von den Folgen der Französischen Revolution gebeutelten Fürstenhäuser erkannten den Fehler, den ihre Vorgänger mit der Unterdrückung dieses damals stabilisierenden Faktors gegen den Liberalismus gemacht hatten. Vor 200 Jahren, am 7. August 1814, nutzte Pius VII. die Gunst der Stunde des Wiener Kongresses und hob das Verbot offiziell auf. In der Schweiz wurde eine deutschsprachige Provinz neugegründet.
Die Neuanfänge waren keineswegs leicht, war doch die regionale Verteilung der "neuen Jesuiten" sehr ungleichmäßig und ihre Herkunft heterogen. Vor allem gab es noch Veteranen von vor 1773, ferner in Russland und später in Sizilien oder Parma neu Eingetretene sowie Weltpriester, die sich neu der Gesellschaft Jesu anschlossen. Der Schwerpunkt der Wiederaufbaujahre, so der Ordenshistoriker Klaus Schatz, lag eindeutig auf Italien und dem französischen Sprachraum.
Von rund 600 Mitgliedern zu Anfang wuchs der Orden auf über 2.000 im Jahr 1830 und bis zu einem Höchststand in dieser Epoche auf 4.757 im Jahr 1847, dem Vorabend neuer Revolutionen in Europa. Doch auch die Wiederzulassung vor 200 Jahren bedeutete keineswegs einen dauerhaften Freibrief: Schon 1820 wurden die Jesuiten unter Zar Alexander I. aus Russland ausgewiesen - ausgerechnet aus Russland, das über 40 Jahre das Überleben des Ordens ermöglicht hatte; erst 1992, nach dem Ende des Kommunismus, kehrten dorthin Jesuiten zurück.
Immer wieder gab es dramatische Phasen
1848/74 erhielt der Orden ein Tätigkeitsverbot in der Schweiz, das nominell bis 1973 bestand. Und auch in Deutschland erging 1872 im Zuge des Preußischen Kulturkampfes ein Verbot (bis 1917).
Immer wieder hat der Jesuitenorden in den Zeitläuften der Kirchengeschichte und der politischen Zeitgeschichte dramatische Phasen zu überstehen gehabt: vom Wiener Kongress über den Kulturkampf in Preußen und das Dritte Reich bis hin zum Zweiten Vatikanischen Konzil und der nachkonziliaren Krise und Konsolidierung der Kirche.
In einigen Phasen bekam die vielbeschworene Einheit der "Gesellschaft Jesu", die doch aus so vielen hoch begabten Individualisten besteht, Risse, und Differenzen brachen innerhalb des Ordens auf. Das gilt etwa für die Auseinandersetzungen um "Modernismus" und "Integralismus" zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder in den Jahren der Neuorientierung nach dem Zweiten Vatikanum. Damals geriet der Orden auch in die Auseinandersetzung um die vor allem lateinamerikanische Theologie der Befreiung und durchlebte eine seiner schwersten Krisen.
Heute ist er wieder so international aufgestellt wie zu Zeiten der China- und Japan-Mission oder der Jesuiten-Reduktionen in Paraguay. Rund 19.000 Mitglieder hat die Gesellschaft Jesu, und mit Franziskus stellt sie erstmals in ihrer fast 500-jährigen Geschichte seit März 2013 das Oberhaupt der katholischen Weltkirche, den Papst.
Von Alexander Brüggemann (KNA)