Die Zeit der billigen Vatikan-Zigaretten ist vorbei
"Die Tugend der Mäßigung läßt Unmäßigkeit aller Art meiden: jedes Übermaß an Speisen, Alkohol, Tabak und Medikamenten", heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche. Diese Tugend auch im Leben umzusetzen, ist für Bürger und Mitarbeiter des Vatikans nicht immer einfach: Denn Speisen, Alkohol, Tabak und Medikamente sind im Vatikan konkurrenzlos günstig, der fehlenden Mehrwertsteuer sei Dank. Papst Franziskus hilft nun beim tugendhaften Leben: Günstige Rauchwaren gehören ab 2018 nicht mehr zu den Vorteilen, die Vatikanangestellte genießen.
Damit beendet der Nichtraucher aus Argentinien eine lange Tradition. Besonders während des Pontifikats Pius IX. (1846–1878) herrschten goldene Zeiten für Raucher. Sein Kardinalstaatsekretär verfügte, auf dem Gebiet des Kirchenstaates dürfe der Tabakkonsum nicht eingeschränkt werden. Der Vatikan hielt Anteile an Zigarettenvertrieben, 1863 baute der Vatikan sogar seine eigene Tabakmanufaktur. Das Gebäude steht heute noch, inklusive der lateinischen Widmung: "Pius IX., der Pontifex Maximus, hat diese Fabrik im Jahr 1863 erbaut, um Nikotinblätter zu verarbeiten." Mittlerweile gehört die alte Manufaktur dem italienischen Staat, und statt Zigaretten zu produzieren, werden sie dort reguliert: Das Gebäude beherbergt die italienische Monopolbehörde, die den Handel mit Tabak regelt.
Im heutigen Staatsgebiet des Vatikans hat der italienische Staat aber nichts zu sagen. Deshalb gelten dort besondere Regeln und Privilegien für die Angestellten und Bürger des kleinen Staates. Die "Farmacia Vaticana" steht allen offen, die ein Rezept für Medikamente vorweisen können; für die anderen Geschäfte braucht man eine "tessera", eine "Einkaufsberechtigung zum persönlichen Bedarf". Davon sind aber mehrere Tausend im Umlauf: 2800 Menschen arbeiten im Kirchenstaat, dazu kommen die 800 Bürger. Die niedrigen Preise wirken: Der Vatikan hat den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Wein weltweit. 75 Liter pro Person und Jahr kommen zusammen, hat das "California Wine Institute" ermittelt.
Zigaretten und Wein sorgen für Umsatz
Kardinäle genießen sogar noch weitere Vergünstigungen über die ohnehin niedrigen Preise hinaus. Zum Beispiel beim Tabak. 500 Päckchen kann jeder Kardinal monatlich erwerben, 200 davon mit 20 Prozent Rabatt. Das ging 2014 aus einem Brief des Governorats des Staats der Vatikanstadt an den Präfekten des Wirtschaftssekretariats, Kardinal George Pell, hervor. Mehr als zehn Schachteln am Tag kann wohl kaum ein Kurialer im Rahmen des Eigenbedarfs verbrauchen; der eine oder andere Kardinal dürfte sein für deutsche Verhältnisse karges Salär von etwa 3000 Euro im Monat mit dem Tabakhandel aufbessern.
Der Vatikan, der keine Steuern erhebt, fährt mit diesen Arrangements finanziell sehr gut: 33 Millionen Umsatz in der Apotheke, 20 Millionen durch den Verkauf von Briefmarken und Münzen, 27 Millionen bringt die Tankstelle ein, Zigaretten und Wein immer noch 10 Millionen – und das trotz Rauchverbot.
Seit dem 1. Juli 2002 soll es nämlich, so hat es der damalige Papst Johannes Paul II. in einem Gesetz verfügt, nur noch weißen oder schwarzen Rauch über dem Vatikan geben, blauer Dunst dagegen ist seither verboten. Über das Rauchverbot wacht die vatikanische Gendarmerie.
Jesuiten gegen Tabak
Erlaubt blieb der Tabakverkauf, auch wenn schon damals das lukrative Geschäft mit den ungesunden Genusswaren umstritten war. Bereits 1995 hatte sich ein römischer Jesuit bei Johannes Paul II. darüber beschwert, dass der Papst sich zwar auf der ganzen Welt klar und deutlich für das Leben einsetze, in seinem eigenen Herrschaftsbereich aber den Handel mit Tabakwaren dulde. Den Hinweis nahm der Pontifex auch dankend an. Das versprochene ernste Gespräch mit dem Präsidenten der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls, Kardinal Rosalio Castillo Lara, blieb aber augenscheinlich ohne Wirkung. 2004 versuchten es die Jesuiten noch einmal, dieses Mal über ihre Zeitschrift "La Civiltà Cattolica", in der ein Artikel Rauchen als "schwerwiegendes moralisches Problem" für Raucher wie für den Staat nannte. Der Protest der Gesellschaft Jesu gegen das Rauchen hat Tradition: Schon 1648 hat der Jesuit Jakob Balde in einem Pamphlet mit dem Titel "Die trockene Trunkenheit" das Rauchen verurteilt.
Doch es brauchte einen Jesuiten auf dem Stuhl Petri, um Fakten zu schaffen. "Der Heilige Vater hat entschieden, dass der Vatikan ab 2018 aufhören wird, Zigaretten an seine Angestellten zu verkaufen", heißt es in einer knappen, dafür umso deutlicheren Meldung im Bolletino, der täglichen Presseaussendung des vatikanischen Presseamtes. "Der Grund ist sehr einfach", geht es weiter: "Der Heilige Stuhl kann sich nicht an etwas beteiligen, das unzweifelhaft die Gesundheit der Menschen schädigt." Auch die wirtschaftliche Bedeutung des Tabakhandels ändere daran nichts: "Kein Profit kann es legitimieren, Leben zu gefährden."
Besonders für deutsche Kardinäle, die regelmäßig im Vatikan verkehren, gibt es aber doch noch ein Schlupfloch: Große Zigarren würden weiterhin verkauft, sagte Papst-Sprecher Greg Burke. Die würden nämlich nicht auf Lunge geraucht.