Erzbischof Georg Gänswein wird 60

Diener zweier Herren

Veröffentlicht am 30.07.2016 um 10:30 Uhr – Von Thomas Jansen (KNA) – Lesedauer: 
Geburtstage

Vatikanstadt ‐ "George Clooney des Vatikan" wird er bisweilen genannt. Mit Benedikt XVI. isst er zu Mittag, für Papst Franziskus begrüßt er Staatsgäste. Heute wird Georg Gänswein 60 Jahre alt.

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Und das ist nicht der einzige Spagat: Wie kein anderer schafft es Gänswein, in der kirchenpolitischen Debatte ebenso präsent zu sein wie in den Boulevardblättern; einmal kritisiert er den Umgang mit Kirchenaustritten in Deutschland, ein anderes Mal berichtet er von seiner Jugendliebe. Am Samstag wird der Kurienerzbischof 60 Jahre alt.

Gänsweins Werdegang ist untrennbar mit Benedikt XVI. verbunden. Dessen Rücktritt 2013 war einer der tiefsten Einschnitte in seinem Leben. Seit 1996 hatte der in Riedern am Wald aufgewachsene Priester des Erzbistums Freiburg für den damaligen Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger gearbeitet, seit 2003 als dessen persönlicher Referent; nach der Papstwahl als 2005 als Privatsekretär. In den Vatikan gekommen war er 1995 nach einem kurzen Zwischenspiel als persönlicher Referent des damaligen Freiburger Erzbischofs Oskar Saier. In Rom begonnen hatte er als Mitarbeiter der Gottesdienstkongregation.

Freimütig bekannte Gänswein, dass er zunächst versucht habe, Benedikt XVI. von seinem Entschluss zum Rücktritt abzubringen. Wie schwer es ihm fiel, zu akzeptieren, dass "sein" Papst jetzt Papa emeritus ist, hat er in zahlreichen Interviews berichtet.

Neue Rolle unter Papst Franziskus

Auch mit der spontanen Art des argentinischen Papstes zurechtzukommen, fiel Gänswein anfangs nicht leicht, wie er selbst sagt. Gewöhnen musste er sich wohl ebenfalls daran, dass er nun weniger Einfluss hat. Früher war er nach eigenen Worten der "Schneepflug", der Benedikt XVI. vor der täglichen Lawine von Anfragen schützte. Er entschied darüber, wer zum Papst vorgelassen wurde. Unter Franziskus zählt er nicht mehr zum Kreis der engsten Vertrauten.

Gänswein, Benedikt, Beckenbauer
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. (l.) und sein Privatsekretär, Kurienerzbischof Georg Gänswein.
Der Papst sitzt gemeinsaam mit zwei Kardinälen bei einer Audienz.
Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010 während einer Wanderung mit seinem Privatsekretär Georg Gänswein in den Wäldern um Rocca di Mezzo in der Nähe von L'Aquila.
Galerie: 9 Bilder

Als Präfekt des Päpstlichen Hauses ist Gänswein für die offiziellen Termine verantwortlich, die der Papst vormittags im Apostolischen Palast absolviert: für die Begegnungen mit Staatsmännern, Kardinälen und sonstigen Gästen. Kurz vor seinem Rücktritt hatte Benedikt XVI. seinen treuen Weggefährten in diese ranghohe Position befördert, die mit der Weihe zum Titularerzbischof verbunden ist. Franziskus beließ Gänswein in diesem Amt, suchte sich jedoch neue Privatsekretäre.

Kein Bischofssitz in Sicht

Gänswein ist ein Mann, der häufig offen ausspricht, was er denkt: So meldet er sich regelmäßig zu kirchenpolitischen Themen und zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland zu Wort. Zuletzt kritisierte er etwa die automatische Exkommunikation bei Kirchenaustritten. Dass er sich mit solchen Einlassungen nicht nur Freunde macht, nimmt er in Kauf.

Er selbst rechnet offenbar nicht damit, je Bischof in Deutschland zu werden, wie bisweilen spekuliert wird. Ihn werde wohl kein deutsches Domkapitel wählen, was ihm jedoch nicht weh tue, so Gänswein jüngst: "Es ist irgendwie gelungen, mich in der Öffentlichkeit als Rechtsaußen oder Hardliner abzustempeln." Er gehöre eben nicht zu den Lieblingen des "kirchlichen Establishments".

Zu den Lieblingen der Boulevardpresse gehört "Don Giorgio" in jedem Fall. "George Clooney des Vatikan" nennt sie ihn auch. Im Januar 2013 zierte der sportliche und jugendlich wirkende Geistliche gar den Titel der Zeitschrift "Vanity Fair". Die Unterschrift: "Schön sein ist keine Sünde". Gänswein fasziniert den Boulevard offenbar auch, weil er für diese Blätter einen Typus verkörpert, dessen Aussterben oft beklagt wird: ein charmanter Mann, dem beste Chancen zum Frauenschwarm und das Zeug zum Chefarzt oder Staranwalt zugetraut werden - und der darauf verzichtet, um Priester zu sein.

Seinen 60. Geburtstag feiert Gänswein am Samstag im kleinen Kreis in den Vatikanischen Gärten mit seinen vier jüngeren Geschwistern und Freunden. Benedikt XVI. und Franziskus kommen nicht. Zumindest für einige Stunden wird er dann sein eigener Herr sein.

19. August 2016: Zahlendreher in Gänsweins Biografie korrigiert

Von Thomas Jansen (KNA)