Diskussion über Laien und Kirchenasyl
Kardinal Reinhard Marx hat Experimente mit neuen Formen der Gemeindeleitung in seinem Erzbistum München und Freising verteidigt. Es sei nicht richtig zu warten, bis alle Begriffe geklärt und alle Bischöfe in Deutschland sich auf einen gemeinsamen Weg verständigt hätten, sagte Marx am Donnerstag in Bamberg. Dafür sei nicht die Zeit. Anlass seiner Äußerungen war die Frühjahrs-Vollversammlung der Freisinger Bischofskonferenz.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick stimmte Marx im Grundsatz zu. Die bayerischen Bischöfe hätten sich bei ihrem am Donnerstag beendeten Treffen darüber ausgetauscht und Unterschiede in der Vorgehensweise sowie Ungleichzeitigkeiten festgestellt.
Marx hatte am Montag ein Pilotprojekt vorgestellt
Marx hatte am Montag ein Pilotprojekt seines Erzbistums vorgestellt, bei dem künftig an ausgewählten Standorten unterschiedliche Leitungsmodelle mit Teams und auch der Einbeziehung Ehrenamtlicher erprobt werden sollen. Der Kardinal betonte, ihm komme es dabei auch auf eine "Erweiterung des Priesterbildes" an. Der Priester solle mehr als "geistlicher Leiter" gesehen werden und "weniger als der, der sagt, welche Ziegel aufs Dach kommen".
Schick ergänzte, im Erzbistum Bamberg gebe es 13 hauptamtlich Angestellte, die sich mit Leitungsverantwortung in den Gemeinden um Immobilien und Kindergärten kümmerten. Auch im Erzbistum München und Freising gibt es hauptamtliche Verwaltungsleiter in Pfarrverbänden. Der Münchner Kardinal sagte, ihm sei es wichtig, positiv an die Aufgabe heranzugehen und dabei nicht nur zu schauen, was alles nicht mehr gehe. "Anders könnte ich als Bischof nicht überleben." Letztlich müsse aber jeder Bischof für seine Diözese selbst entscheiden, was der richtige Weg sei.
Die bayerischen Bischöfe haben in den vergangenen beiden Tagen außerdem beschlossen, Forschung über das Alter dauerhaft finanziell zu fördern. Für den Start des Kompetenzzentrums "Zukunft Alter" der Katholischen Stiftungsfachhochschule München (KSFH) stellten sie 250.000 Euro zur Verfügung. In den nächsten Jahren solle das Zentrum eine Regelförderung von mindestens 350.000 Euro aus dem Gemeinschaftsfonds der Bistümer erhalten.
Es handle sich um ein wichtiges Themenfeld für die Zukunft und auch für die Kirche, alleine schon wegen der demografischen Entwicklung, betonte Marx, der auch Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz ist. Mehr Forschung sei als Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Versorgung dringend geboten.
Bischöfe sprechen auch über Kirchenasyl
Nach mehreren bekanntgewordenen Ermittlungsverfahren in Bayern gegen Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren, pochen die Bischöfe zudem auf die Einhaltung der vereinbarten Regeln. "Wir gehen davon aus, dass die vor zwei Jahren mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge getroffene Vereinbarung weiter gültig ist", sagte Marx. Kirchenasyle müssten mit dem Katholischen Büro in München abgesprochen und bei den Behörden gemeldet werden, betonte Marx. Nach Rechtsauffassung der Kirche handle es sich daher nicht um ein "illegales Untertauchen".
Deshalb verließen sich die Bischöfe auch weiter auf die Gepflogenheit in Bayern, "dass niemand mit Gewalt abgeholt wird". Wenn bei den Staatsanwaltschaften Anzeigen gegen Kirchengemeinden eingingen, müsse ermittelt werden. Es sei allerdings zu erwarten, dass diese Verfahren schnell eingestellt würden. Nach Auskunft des Leiters des Katholischen Büros Bayern, Lorenz Wolf, hat es bisher im Freistaat wegen der Gewährung von Kirchenasyl keinen Gerichtsprozess gegeben. Derzeit seien etwa 150 bis 200 Asylbewerber in der Obhut der katholischen und evangelischen Kirche.
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Bereits am Mittwochabend hatte Marx bei einem Pontifikalamt anlässlich des Bischofstreffens über den vierten Jahrestag von Papst Franziskus gesprochen. Er sehe die katholische Kirche aktuell in einer lebhaften Diskussion, so der Kardinal. "Vieles ist geschehen. Viele bewundern ihn, manche sind skeptisch und voller Sorge, wie der Weg weitergeht." Manche würden von einem Wendepunkt sprechen, andere von Anpassung an den Zeitgeist. Es sei nicht schlecht, dass theologisch gestritten werde.
"Das gehört zum Leben der Kirche dazu", erklärte Marx mit Bezug auf die anhaltende Debatte um das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" und die Linie der Kirche insbesondere in der Ehe- und Familienpastoral. Zugleich wies er Kritik am Kurs des Papstes zurück: "Franziskus betreibt keine Abkehr von der Tradition der Kirche, sondern eine Vertiefung dessen, was Jesus und die Propheten lehren. Nein, dieser Papst predigt kein anspruchsloses Christentum, er predigt die Vollendung in der Liebe."
Freisinger Bischofskonferenz trifft sich zwei Mal im Jahr
Der Kardinal erinnerte daran, dass die Heilige Schrift keine Ansammlung von Vorschriften sei. "Es geht nicht darum, lebensferne Normen zu erfüllen, sondern darum, jeden Tag zu fragen: Lebe ich im Bund mit Gott?" Eine zentrale Bedeutung komme dabei dem Gewissen zu. Marx warnte davor, "Gesetze vor Gott aufzurichten und sie zur eigenen Selbstbehauptung vor Gott zu benutzen". Die Gesetze der Kirche seien vielmehr als eine Einladung zu verstehen, die Liebe zu leben, das eigene Leben im Sinne von Jesus zu formen.
Die Freisinger Bischofskonferenz trifft sich zwei Mal im Jahr. Es nehmen die (Erz-)Bischöfe der sieben bayerischen Diözesen teil. Dazu gehören Bamberg, Würzburg, Eichstätt, Regensburg, Augsburg, Passau, München und Freising. Aus historischem Grund nimmt außerdem der Bischof der Diözese Speyer teil. (bod/KNA)