Doch kein Konzil auf Kreta?
Die seit mehr als 50 Jahren vorbereitete Versammlung solle wie geplant in knapp zwei Wochen am orthodoxen Pfingstfest (19. Juni) auf Kreta beginnen. In Russland stieß das Festhalten Konstantinopels an seinem Kurs auf heftige Kritik. "Ich habe Angst, dass es sich bei dieser harten diktatorischen Haltung um den Versuch handelt, anderen seine eigene Meinung aufzuzwingen", sagte der Moskauer Erzpriester Andrej Nowikow der russischen Nachrichtenagentur Tass (Dienstag). Konstantinopel strebe offenbar nach "unbegrenzter Macht in der orthodoxen Welt" und nach einem "östlichen Papsttum". Dadurch werde das Zustandekommen des Konzils gefährdet.
Ziel des historischen Gipfeltreffens auf Kreta ist eine Einigung der orthodoxen Kirche auf ihren künftigen Kurs. "Das Ökumenische Patriarchat, das die Hauptverantwortung für die Wahrung der Einheit der Orthodoxie trägt, ruft alle auf, die Gelegenheit zu nutzen und teilzunehmen", heißt es in der Erklärung, die am Abend in Istanbul nach einer Sondersitzung des von Patriarch Bartholomaios I. geleiteten Heiligen Synods veröffentlicht wurde.
Mit "Überraschung und Verwunderung" nehme man die jüngsten Stellungnahmen mancher der 14 Landeskirchen zur Kenntnis. Die Kirchenregeln erlaubten keine "Revision" der auf den Weg gebrachten Konzilsplanung, so das Leitungsgremium des Patriarchats von Konstantinopel. Allerdings könnten auf Kreta die Dokumente, die verabschiedet werden sollen, noch verändert werden. Entsprechende Vorschläge würden von den Delegationen der Landeskirchen erwartet.
Die orthodoxe Kirche Bulgariens hatte vergangene Woche angekündigt, nicht am Konzil teilzunehmen, sollten bestimmte Streitfragen vorab ungeklärt bleiben. Sie rief zu einer Verschiebung des Gipfels auf. Die russisch-orthodoxe Kirche fordert eine Krisensitzung der orthodoxen Kirchen bis spätestens Freitag. Zuvor hatte unter anderem bereits die georgisch-orthodoxe Kirche angekündigt, sie werde mehrere Textvorlagen ablehnen. Dazu gehöre, dass nichtorthodoxe Religionsgemeinschaften als Kirchen eingestuft werden.
Im Interview des TV-Senders "Russland 24" sagte der Außenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, einige der 14 Landeskirchen seien "unzufrieden" mit dem Verlauf der Vorbereitungen. Es sei möglich, dass die Kirchen Antiochiens und Serbiens dem Gipfel fernblieben.
In einer langen Erklärung vom Montagabend legte das Patriarchat von Antiochien einen Beschwerdekatalog vor. Die Vorbereitungen seien zuletzt sehr langsam vorangegangen, ohne dass die Vorbehalte und Interessen Antiochiens beachtet worden seien. Es sei enttäuschend, dass die wichtigsten Beschwernisse der Christen im Nahen Osten beim Konzil nicht thematisiert würden, etwa die Herausforderungen der christlichen Jugend. Über viele Textentwürfe herrsche noch Uneinigkeit zwischen den Kirchen.
Das Patriarchat verweist auch auf einen langjährigen Bruderzwist mit dem orthodoxen Sitz von Jerusalem, der weiter ungelöst sei. Ein großes Konzil ergebe ekklesiologisch keinen Sinn, wenn zwei Kirchen nicht miteinander in Gemeinschaft stünden und also nicht gemeinsam Mahl halten könnten. Die Synode von Antiochien ruft den Ehrenvorsitzenden des Konzils, den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomaios I. auf, alle bestehenden Probleme umgehend zu lösen. Ansonsten müsse die Versammlung verschoben werden.
Auf der Tagesordnung des Konzils auf Kreta stehen sechs Dokumente. Besonders umstritten ist das Dokument über das Verhältnis zu anderen christlichen Konfessionen. Das Konzil wird seit 1961 vorbereitet. (KNA)