Dramen in Purpur
Auch für viele der zur Wahl versammelten Kardinäle ist das Konklave ein Höhepunkt ihrer kirchlichen Karriere. Das ist freilich in den vergangenen 800 Jahren nicht immer so gewesen. Für manche wurde das rituelle Einpferchen zum Trauma.
Eingemauerte Streithähne unter Nahrungsentzug
Der Brauch des Einschließens ("conclave" = lat. "verschlossener Raum") ist erstmals überliefert für das Jahr 1216 - aus dem schlichten Verdruss über einen zu schleppenden Verlauf. Besonders arg ärgerten sich etwa die Stadtväter von Viterbo nach dem Tod Clemens IV. 1268, dass sie über Jahre ein total zerstrittenes Kardinalskollegium im Bischofspalast beherbergen mussten. Zur Beförderung des Einigungswillens wurden die Streithähne ab Sommer 1270 eingemauert, ihre Nahrungsrationen gekürzt und zeitweilig gar das Dach abgedeckt. Immerhin: Schon am 1. September 1271 wurde mit Gregor X. ein buchstäblich "Außenstehender" gewählt.
Ein weiteres Drama ereignete sich 1378, als letztmals ein Nicht-Kardinal zum Papst gewählt wurde. Damals galt es zu verhindern, dass das Papsttum erneut - wie die 70 Jahre zuvor - Rom den Rücken kehrte und weiter im südfranzösischen Avignon residierte.
Von Romantik keine Spur
Doch kaum hatte Urban VI. seine Wahl angenommen, entzogen ihm einige Kardinäle ihre Stimme wieder und hoben einen zweiten Kandidaten, Clemens VII., auf den Schild. Das entstandene Schisma sollte 37 Jahre dauern - 6 davon gar mit einem dritten Papst.
Einen Höhepunkt in der Geschichte der Konklave bildete auch die Wahl eines Nachfolgers für Pius VI. - jenes gebrochenen 83-Jährigen, der 1799 als Häftling in den Kerkern Napoleons starb. Um dem Einflussbereich des Korsen zu entkommen, versammelten sich 34 von 46 Kardinälen auf der Klosterinsel San Giorgio Maggiore in Venedig. Die komplizierte Wahl Pius VII. dauerte vier Monate - und die Romantik hielt sich wohl in Grenzen.
Wahl in Gegenwart der Leiche
Eine andere Dynamik entspann sich um die Nachfolge Pius IX., der während seines langen Pontifikates (1846-1878) den Verlust des Kirchenstaates hinnehmen musste und sich gegenüber der jungen Nation Italien als "Gefangener im Vatikan" fühlte. Er war in geradezu panischer Angst, dass Italien unter dem Vorwand, die "Sicherheit" zu gewährleisten, Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers nehmen könnte. Und so spekulierte die Presse gar über eine angebliche Papstbulle, die eine eilige Wahl "praesente cadavere" vorschreibe, also "in Gegenwart der Leiche". Dazu kam es nicht, und der vermeintliche Übergangspapst Leo XIII. regierte seinerseits ein Vierteljahrhundert (1878-1903).
Wenn zwei sich streiten...
Seit dem 20. Jahrhundert verliefen die Konklave unproblematisch. Meist dauerten sie nur wenige Tage. Pius XII. (1939-1958) wurde gar bereits am Eröffnungstag gewählt. Das bedeutet nicht, dass der Ausgang nicht trotzdem überraschend sein konnte. Beim zweiten Konklave des Drei-Päpste-Jahres 1978 etwa galten eigentlich die Kardinäle Siri und Benelli als Favoriten - doch sie blockierten sich gegenseitig. Und so wurde ein Pole Papst - und beendete eine italienische Serie von 455 Jahren.
Diesmal sagen die medialen Auguren, schon im eigenen Interesse, einen besonders schwierigeren Verlauf voraus. Klare Favoriten seien nicht erkennbar. Genüsslich sonnt man sich im Bewusstsein, seit Wojtyla sei "wirklich alles möglich" - auch ein Papst aus Afrika oder Lateinamerika. Das hält die Spannungskurve. 1903 zogen noch 97 Prozent Europäer in die Sixtina ein - 2013 werden es nur noch 52 Prozent sein.
Und auch persönliche Dramen kennt das zweite Konklave des 21. Jahrhunderts schon. Der schottische Kardinal Keith O'Brien (74) verzichtete nach Vorwürfen sexueller Belästigung am Montag auf Amts und Teilnahme am Konklave. Der ukrainische Kardinal Lubomyr Husar wird an diesem Dienstag - zwei Tage vor dem Stichtag der Sedisvakanz - 80 Jahre alt und verpasst damit die Papstwahl. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner dagegen wird erst im Dezember 80. Nun muss er - gegen seinen erklärten Willen - noch mal ran.