Diskussionen über das vorab veröffentlichte Lehrschreiben

Ein Angriff auf den Papst?

Veröffentlicht am 16.06.2015 um 15:30 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Umweltenzyklika

Bonn/Rom ‐ Der Vatikan hat dem Journalisten, der die neue Papst-Enzyklika vorab veröffentlicht hat, die Akkreditierung entzogen. Doch nicht nur im Kirchenstaat ist man "not amused". Auch Medienvertreter üben Kritik – und sprechen sogar von "Sabotage".

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Am Donnerstag wird die Enzyklika "Laudato si" offiziell präsentiert. Mit dabei sind Experten wie der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Carolyn Woo und Kardinal Peter Turkson, der Präsident des Päpstlichen Rates Justitia et Pax. Auf diesen Termin wollte die italienische Zeitschrift "L'Espresso" allerdings nicht warten und veröffentlichte das Schreiben bereits am Montag im Internet. Es wurde also "geleakt", wie es auf neudeutsch heißt.

Problematisch ist aber nicht nur, dass die Enzyklika vorab überhaupt veröffentlicht wurde, sondern dass es sich bei dem Text um eine erste Druckausgabe gehandelt habe, die vor einigen Tagen wegen notwendiger Korrekturen habe eingestampft werden müssen, wie die Zeitschrift selbst mitteilte. Der Vatikan bestätigte das am Dienstag und sprach von einer "nicht endgültigen Fassung". Stattdessen appellierte Vatikansprecher Federico Lombardi an die "journalistische Korrektheit" und bat die Medienvertreter, den offiziellen Termin abzuwarten.

Journalist veröffentlichte immer wieder kritische Beiträge

Das nährt die Spekulationen. Denn der verantwortliche Journalist Sandro Magister hatte in jüngerer Zeit wiederholt kritische Beiträge zum Pontifikat von Franziskus veröffentlicht. Der 71-jährige, der nach einem Studium der Theologie und Philosophie sowie der Geschichtswissenschaften in Mailand die Journalistenlaufbahn eingeschlagen hatte, arbeitet seit 1974 mit dem Schwerpunkt katholische Kirche und Vatikan für das Wochenmagazin "L'Espresso". Das erscheint im gleichen Verlag wie die linksliberale und kirchenkritische Tageszeitung "La Repubblica". Also ein "Angriff von links"?

Der Jesuit Bernd Hagenkord leitet seit 2009 die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan.
Bild: ©KNA

Der Jesuit Bernd Hagenkord leitet seit 2009 die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan.

Die Zeitung "La Stampa" sieht das anders. Die Indiskretion sei das Werk konservativer Kräfte innerhalb und außerhalb der Kurie, schrieb sie am Dienstag unter Berufung auf nicht genannte vatikanische Quellen. Ihr Ziel sei es, die Wirkung der Enzyklika zu schwächen und der Person des Papstes zu schaden, so das in Turin erscheinende Blatt. Auch die Tageszeitung "Corriere della Sera" gab eine vatikanische Quelle mit der Einschätzung wieder, den Informanten gefalle die harte Kritik des Papstes an der Umweltpolitik der Industrienationen nicht.

Hagenkord: "Da will jemand aktiv die Botschaft des Papstes unterlaufen"

Pater Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, spricht gar von "Sabotage". "Da will jemand aktiv die Botschaft des Papstes – und beim Thema Umwelt geht es um wirklich wichtige Dinge – unterlaufen", schreibt er in seinem Blog. Er glaubt, dass Medien in den USA und Lateinamerika und "morgen im Rest der Welt über einen Text berichten, der nicht der richtige ist". Und wenn dann der richtige erscheine, werde das keinen mehr interessieren, so Hagenkord. "Der Prälat oder Mitarbeiter im Vatikan, der den Text herausgerückt hat, der hat dadurch Sabotage betrieben."

Rückgängig machen lässt sich die Online-Publikation des Textentwurfs nun nicht mehr. Sie und der Bruch der Sperrfrist seien jedoch regelwidrig und verursachten "große Unannehmlichkeiten für viele Journalistenkollegen" sowie eine erhebliche Störung des Betriebs im vatikanischen Presseamt, teilte Sprecher Lombardi in einem Brief an den Vatikan-Journalist Magister mit. Das Schreiben wurde öffentlich ausgehängt. Magister ist demnach mit Wirkung vom Dienstag die Zulassung zum vatikanischen Pressesaal "auf unbestimmte Zeit" entzogen. (mit Material von KNA)

Von Björn Odendahl